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Spurensuche in der Gegenwart

Alexander Glandien
Blick ins Atelier von Alexander Glandien
Installationsansicht von der Arbeit „Legende"
Videostill meiner Arbeit „Ritual for a relict"
Installationsansicht der beiden Arbeiten „Nest" und „Exil"

Gesellschaft und Individuum. Interpretation und Manipulation von Historie. Es sind die Ambivalenzen, mit denen sich Alexander Glandien in seiner Kunst auseinandersetzt. Für sein aktuelles Projekt reiste der gebürtige Schweriner auf den Spuren Alexander von Humboldts nach Südamerika, um die Aufzeichnungen des Universalgelehrten in ein neues Licht zu rücken. Was den Künstler inspiriert, worauf er Wert legt und wer ihn beeinflusst, erzählt er Kultur-MV.

Wie beschreiben Sie Ihre Arbeit selbst?

Alexander Glandien: Meine Arbeiten befassen sich mit der Aneignung, Interpretation und Manipulation von Geschichte. Mit unterschiedlichsten Medien, wie zum Beispiel Video, Installation, Zeichnung, Animation oder Fotografie erforsche ich seit vielen Jahren das Verhältnis von Ideologie und Identität, also wie formt die Gesellschaft das Individuum und andersherum. Ein aktueller Schwerpunkt dieser Auseinandersetzung bildet die kritische, künstlerische Reflektion der europäischen Forschungsexpeditionen nach Lateinamerika und die Suche nach ihren kolonialen Spuren in der Gegenwart. 

Ihre Arbeiten sind nun Teil des Landeskunstbesitzes. Was bedeutet es Ihnen?

Glandien: Zunächst einmal freut mich das sehr, weil es gerade solche Ankäufe sind und auch die damit verbundene Wertschätzung, die meine künstlerische Arbeit ermöglichen. Gleichzeitig sehe ich meine Kunstwerke aber auch als aktiven Teil von gesellschaftlichen Debatten und dafür ist es eben notwendig, dass sie öffentlich gezeigt und diskutiert werden. Daher hoffe ich, dass diese Arbeiten gerade durch ihre Präsenz in der Kunstsammlung MV ein vielfältiges Publikum in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus finden.

Welches Ihrer bisherigen Werke, bedeutet Ihnen am meisten und warum?

Glandien: Das kann ich leider so pauschal nicht beantworten. Ein wesentlicher Antrieb meines künstlerisches Schaffens ist, dass ein Thema, ein Ort oder ein Projekt eine außerordentliche Bedeutung für mich hat und daher erst zum Ausgangspunkt einer Arbeit wird.

Haben Sie ein Beispiel?

Glandien: Ich gehe auf eines meiner aktuellsten Projekte „Unfinished histories" ein. Ausgehend von der Südamerika-Expedition Alexander von Humboldts habe ich damit begonnen, die exakt selbe Route mehr als 200 Jahre später wieder zu bereisen, dieselben Orte zu besuchen und die Aufzeichnungen und Beobachtungen Humboldts einer Korrektur zu unterziehen. Den Ideen der Aufklärung folgend, rückte Humboldt mit seiner Reise Amerika ins Rampenlicht des alten Europas und bemühte sich um einen differenzierten und offenen Blick auf fremde Kulturen. Allerdings lassen sich Aufklärung und Fortschritt nicht ohne Unterdrückung, ohne Kolonialismus, Rassismus und Naturzerstörung denken. Sein Abenteuer der Wissenserweiterung, Vermessung und Kartografierung war zugleich Wegbereiter und Instrument der kolonialen Herrschaft.

Diese historische, aber auch aktuelle Ambivalenz des wissenschaftlichen Reisens bildet den Ausgangspunkt für mein Projekt, welches ich vor allem auch im Austausch mit lateinamerikanischen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen vor Ort in Bogota, Popayan, Cali, Quito und Lima realisiert habe. Es geht im Kern also um eine intensive Auseinandersetzung mit postkolonialer Erinnerungspolitik und der Konfrontation mit der eigenen Verantwortung – aber auch um die gemeinsame Suche nach postkolonialen Perspektiven.

Welche Künstler und Personen beeinflussen Sie bei so groß angelegten Projekten?

Glandien: Das ist sehr unterschiedlich und einem permanenten Wandel unterworfen. Zur Zeit interessiere ich mich sehr für die Arbeiten von Forensic Architecture, Mariana Castillo Deball, Francis Alÿs, Otobong Nkanga, Lisl Ponger und Omer Fast.

Was inspiriert Sie dabei? 

Glandien: Ich denke, meine wichtigsten Inspirationsquellen sind Literatur, Reisen, Gespräche und ziellose Recherchen im Internet. Alle diese Einflüsse verbinden sich oft miteinander, ergänzen sich und erzeugen mein Interesse für ein Thema oder ein Medium. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist das experimentieren mit Formen und Themen, ohne direkt zu wissen wohin es mich führt. Gerade diese Offenheit und die Fokussierung auf den Schaffensprozess selbst ist immer eine wesentlicher Bestandteil meiner Kunstwerke.

Welche Rolle spielt Ihre Arbeitsumgebung?

Glandien: Ich arbeite meist im Atelier, aber auch sehr viel auf Reisen oder auf Artist Residencies im Ausland. Der Wechsel von verschiedenen Arbeitsumgebungen ist dabei besonders reizvoll, weil er meine Arbeiten auf ganz verschiedene Weise beeinflusst.

Gab es einen Auslöser oder einen Punkt, an dem Sie sich aktiv dafür entschieden haben?

Glandien: Nein, einen solchen Auslöser oder "Punkt" gab es für mich nicht. Aber meine Art zu denken, meine Interessen und auch meine sehr frühe Begeisterung für künstlerische Ausdrucksformen haben diesen Weg sicher geprägt.

Wie gehen Sie mit aktuellen Corona-Situation um? 

Glandien: Ich versuche vor allem mit Optimismus in die Zukunft zu schauen und hoffe, dass ich die Projekte, welche ich im Jahr 2020 verschieben oder absagen musste, in 2021 realisieren kann. 

Der Künstler Alexander Glandien

  • 1982 – geboren in Schwerin
  • 2003-2008 – Studium Kommunikationsdesign und Medien, Diplom mit Auszeichnung an der Hochschule Wismar
  • 2009-20 – künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bildende Kunst und Kulturwissenschaften der Kunstuniversität Linz
  • 2013 – Gastdozent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig
  • 2018 – Gastdozent an der Universidad Nacional de Colombia in Bogota
  • 2013 – Klemens Brosch Preis, Linz 
  • 2015 – Talentförderungspreis des Landes Oberösterreich
  • lebt und arbeitet in Wien

Einzelausstellungen mit Alexander Glandien

  • 2008    Glandienale | Einzelausstellung | Galerie 20 | Wismar
  • 2009    European Media Arts Festival | Osnabrück
  • 2010    2nd Moscow Biennale for Young Art | Moscow Museum of Modern Art
  • 2011    Galerie Roman Petrovic | Einzelausstellung | Sarajevo
  • 2013    3rd Moscow Biennale for Young Art | Moscow Museum of Modern Art
  • 2014    Legenden | Einzelausstellung | Galerie 5020 | Salzburg
  • 2015    An die Arbeit | Gruppenausstellung in der Landesgalerie Linz
  • 2016    Hier & Jetzt | Künstlerhaus Schloss Plüschow
  • 2017    6. Thessaloniki Biennale für zeitgenössische Kunst | Thessaloniki
  • 2017    BLACK BOX | Casino Luxembourg | Luxemburg
  • 2018    6th Moscow Biennale for Young Art | Moscow Museum of Modern Art
  • 2019    Continental Drift | Salzamt Linz
  • 2020    66. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen
  • 2020    Machines of Deceleration | Art Republic | Stavanger

Was ist los in MV?!

19:00 Uhr, Stadthalle/Rubenowsaal in Greifswald

19:00 Uhr, Sozio-kulturelles Zentrum St. Spiritus in Greifswald

19:30 - 21:30 Uhr, Putbus, Marstall

Land kauft Kunst 2020

Die Kunstsammlung des Landes wächst stetig. Seit dem Jahr 1994 kauft Mecklenburg-Vorpommern Arbeiten von bedeutenden Künstlern des Landes auf, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Eine Kommission aus Experten aller Genres wählt dafür aus, von welchen Künstlern Arbeiten angekauft werden und macht sich auf den Weg in deren Ateliers. Allerdings ist dieses Jahr alles anders: Die Ankäufe fanden Corona bedingt digital statt. Die Besuche in der Arbeitsumgebung der Schaffenden fielen aus. Kultur-MV stellt die Künstler des Landes trotzdem vor. 

Kunstankauf 2020

Atelierbesuche 2019

Musik ist überall. Überall im Leben von Alexandra Lotz. Ihr Vater ein Berliner Cellist. Ihre Schwester eine anerkannte Sängerin. Alexandra Lotz selbst studierte Gesang, aber die Bühne „hat mich nicht gepuscht", sagt sie. Die Bildhauerei dagegen schon. Ihr Instrument: Alabaster. Mit ihren Arbeiten ist die Bildhauerin jetzt auch im Landeskunstbesitz vertreten. Kultur-MV hat sie in ihrem Atelier besucht. Weiterlesen...

Bewegungen. Das Rauschen der Blätter. Die Leere ohne Bezug zu irgendwas oder irgendwem. Das erfasst Claudia Heinicke in ihren Gitterbildern und erschafft eine Ordnung, wo keine zu sein scheint. Gemalt. Geritzt. Geklebt. In vielen Studien und in wenigen großen Werken. Einige gehören jetzt zur Kunstsammlung Mecklenburg-Vorpommerns. Kultur-MV hat die Künstlerin besucht.

Spurensucher. Bewahrer. Künstler. „Ich bin Dokumentararchäologe", sagt Jörg Herold über sich. In seinen Arbeiten hinterfragt er historische „Hinterlassenschaften" – Denkmäler, Traditionen, Fragmente. Internationale bekannt wurde er durch seine Beteiligungen an der Biennale in Venedig und an der documenta X international. MV kaufte einige seiner Werke für die Landeskunstsammlung an. Kultur-MV begleitete den Ankauf.

Die Farbe wirft Hügel, Schnörkel, Kringel. Bildet ein Relief. Mit zwei, drei Schritten Abstand wird eine Eule erkennbar. Sie wirkt fast haptisch. „Ich verdünne die Farbe weniger als früher mit Terpentin“, sagt Ingmar Bruhn. Ölfarbe. Erdige, warme, dunkle Töne. Seine expressiven Großformate entstehen meist in Dambeck bei Bobitz und Berlin. Ein Adler gehört nun zur Kunstsammlung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Kultur-MV begleitete den Ankauf. 

Cindy Schmiedichen schichtet Farbe. Sie formt Farbe zur Skulptur. „Mich interessiert vor allem der Prozess des Einfärbens. Dabei treibe ich Gips an sein Äußerstes", sagt Cindy Schmiedichen. „Ich arbeite halb blind." Erst nach dem Guss sieht die Künstlerin das vollständige Ergebnis. Bei ihrem Atelierbesuch wohnte die Kunstkommission des Landes MV diesem ersten Moment bei – hebt eine Farbskulptur aus der Gussform. Weiterlesen...

Nur Bilder an die Wand hängen? Zu wenig für einen bildenden Künstler. Fotografin Maria Sewcz sammelt ihre Arbeiten aus Rom in einem Folianten. Angelehnt an die alten Bücher, die im Vatikan aufbewahrt werden. Das beeindruckt die Kunstkommission des Landes MV. Den Folianten erwirbt sie nicht, aber eine Fotoauswahl für die Sammlung. Kultur-MV war dabei. 

Ästchen für Ästchen. In seinen früheren Arbeiten verschwimmen die Grenzen zwischen Fotografie und Grafik. In seinen neueren Arbeiten verzichtet Andre van Uehm darauf, spielt lieber mit Horizonten und Linien. Der ehemalige Landschaftsgärtner fotografiert vom Menschen geprägte Natur – ohne Menschen. Ein Bewahrer der Kulturlandschaften in MV. Seine Arbeiten passen sich selbstverständlich in die Landeskunstsammlung ein. Kultur-MV begleitete den Kunstankauf.

18527. 18989. 19294. 19678. Diese vier Arbeiten von Thorsten Bisby-Saludas sind nun Teil der Kunstsammlung Mecklenburg-Vorpommerns. Keine nüchternen Zahlen, sondern Titel von vier Kunstobjekten. Die Zahlen stehen für den Tag im Leben des Bildhauers, an dem er das Werk vollendete. Seine Werke bilden die Summe der Erfahrungen, des Denkens und des Seins des Künstlers ab. Kultur-MV besuchte sein Atelier.