10.09.2017

Land kauft Kunst I: Im Atelier von Udo Dettmann

Udo Dettmann steht neben einem seiner Kunstwerke.
Udo Dettmann: "Es kommt mir nicht auf das schnelle Konsumieren eines Films an."

Jedes Jahr kauft Mecklenburg-Vorpommern Arbeiten von bedeutenden Künstlern des Landes für die Kunstsammlung auf. Kultur-MV hat die Ankäufe 2017 begleitet und stellt alle acht Künstler in ihren Ateliers vor. So wie Udo Dettmann. Er ist ein Virtuose der Alltagsbeobachtungen. Seine Instrumente: Grafik und Videokunst. Hintersinniger Humor ist sein stetiger Begleiter. Er liebt es, Menschen mit sich selbst zu konfrontieren. 

Ein Wohnhaus. Dahinter ein weißer Neubau. Darin Udo Dettmann in seinem Atelier. In der Hand hält er eine Tasse duftenden Tee, den er mal eben mit Kräutern von der Wiese hinter seiner Arbeitsstätte aufgebrüht hat. Er liebt die Einfachheit – im Alltag und in seiner Kunst. So erschließen sich viele seiner jüngeren Videoarbeiten erst nach einigen Momenten des Betrachtens, vermitteln für manchen oberflächlichen Beobachter gar ein Gefühl von Langeweile. Wer tiefer schaut, den erwischen das Erkennen und damit die Erkenntnis allerdings oft recht unerwartet. Die Schauspielerin, die im Film mit sich selbst agiert. Der Junge, der innerhalb von Momenten zum Mann reift. Die Wanderer in einer Schneelandschaft. Doch Udo Dettmann ist mehr als Videokünstler. Die Sinneswahrnehmung selbst bildet das Zentrum seiner Kunst, wie in seiner aktueller Studie über Haut und Struktur, von der er im Gespräch mit Kultur MV erzählt.

Dettmann über seine Experimente mit der Wahrnehmung

Ein Porträt von Udo Dettmann.
Udo Dettmann: "Es geht mir um den Kontakt des Betrachters zu sich selbst."

Sie machen seit 35 Jahren Kunst. Was oder wer hat Sie in dieser Zeit am meisten inspiriert?Udo Dettmann: Künstlerisch inspiriert hat mich besonders der amerikanische Kollege Bruce Nauman, sowie bestimmte Aspekte, die in Pearls Gestalttherapie entscheidend sind. Beide befassen sich mit der Sinneswahrnehmung, dem Konfrontieren des Probanden mit irritierender Erfahrungen und dem Aufdecken von gerade existierenden Gefühlen und Empfindungen; allerdings verfolge ich natürlich keinen therapeutischen Gedanken sondern es geht mir aus künstlerischer Sicht, um den Kontakt des Betrachters zu sich selbst. Wie sieht Ihr Alltag als Künstler aus? Ein Job von "nine to five"?  Die Zeiten, da ich nachts gearbeitet habe sind lange vorbei. Die wirklich guten Ideen kommen mir urplötzlich in den Kopf, meistens zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Entweder dann, wenn ich es gerade eilig habe, um einen Termin wahrzunehmen oder nachts im Halbschlaf. Dann ist es gut immer ein Blatt Papier und einen Schreiber zur Hand zu haben. Ist die Idee erst einmal fixiert, kann ich mir Zeit lassen, sie umzusetzen. Insofern arbeite ich doch noch manchmal des nachts. Eine Idee zu verwirklichen dauert dann nicht selten eine längere Zeit, bis ich zufrieden mit dem Ergebnis bin. Eine Ihrer aktuellen Studien befasst sich mit Haut und Struktur. Erzählen Sie etwas darüber. Was macht die Faszination aus? Die Textur einer Oberfläche, z. B. die der menschlichen Haut, mit all ihren Unebenheiten, aus nächster Nähe wahrzunehmen, auch wenn sie gar nicht dargestellt ist, sondern nur daran erinnert, berührt mich und berührt viele eher unangenehm, wie ich festgestellt habe. Es ist, als betrachte man sich selbst im Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Ich sehe meine Werke als Wahrnehmungssituationen oder als Wahrnehmungsexperimente. Eine Arbeit kommt für mich dann auf den Punkt, wenn ich das Gefühl habe, der imaginäre Funke kann überspringen. Um dieses Ziel zu erreichen, konfrontiere ich den Betrachter mit unterschiedlichen kleineren und größeren Irritationen. Ihre Video(installationen) drehen sich um (Bewusstseins-)Zustände und spielen mit Langsamkeit, Situationen und Gefühlen. Welche Vorzüge hat das Medium Film hierbei gegenüber anderen bzw. wie nutzen Sie dieses Medium? Jedes Medium hat seine Vorteile. Ich arbeite gern mit unterschiedlichen Medien, um meine ästhetischen und inhaltlichen Vorstellungen so gut wie möglich verwirklichen zu können. Mit dem Film lassen sich bestimmte Inhalte transportieren, die ein Bild oder ein Objekt nicht leisten kann. Der Ton macht die Musik, wie es so schön heißt. Mit dem Ton, sprich mit akustischen Elementen, kann man eine vermeintlich harmlose, leise Szene dramatisieren. Obwohl meine Filme meist recht kurz sind, etwa ein bis zwei Minuten lang, allerdings als Endlosschleife gezeigt werden, vermittle ich doch das Gefühl der Langsamkeit oder gar der Langeweile. Es kommt mir nicht auf das schnelle konsumieren eines Films an, sondern auf ein langsames durch Redundanz vertieftes Erkennen. 

Das ist der Künstler Udo Dettmann

Udo Dettmann studierte in Kiel an der Muthesius Kunsthochschule und an der Christian-Albrecht-Universität. Arbeitsstipendien führten ihn unter anderem nach Lauenburg, nach Italien und ins Künstlerhaus Lukas nach Ahrenshoop. 2012 erhielt er das Arbeitsstipendium des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Udo Dettmann initiierte 1997 den Kunstverein Harburger Bahnhof zusammen mit René Havekost und übernahm zeitweise dessen künstlerische Leitung. Als Künstler erhielt er mehrere Auszeichnungen wie den Kunst- und Kulturpreis Bad Segeberg (1981), den Kunstpreis Bad (1985) und aktuell den Kunst- und Kulturpreis Schwerin mit dem Dezernat5 (2017).

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