29.05.2025

Heimat – Geschichte – Plattdeutsch

Ein Porträt. Auf dem Bild ist eine Frau zu sehen: die Kulturministerin Bettina Martin.
Kulturministerin Bettina Martin

„Plattdeutsch ist Teil unserer regionalen Identität“, sagt Bettina Martin. Unser Interview mit der Kulturministerin über kulturelles Erbe, Förderungen, Vernetzung – und ihr Lieblingswort. Der Abschluss unserer Serie: Plattdeutsch in MV.

Plattdeutsch-Angebote werden digitaler. Es gibt Podcasts, eine Lern-App. Nutzen Sie Übersetzer, wenn Sie einen Ausdruck nicht kennen? 

Bettina Martin: Allzu oft kommt das bei mir im Alltag nicht vor, aber wenn ich mal etwas Niederdeutsches nachschlagen muss, dann nutze ich zum Beispiel gerne das Online-Wörterbuch des Kompetenzzentrums Niederdeutsch-Didaktik. Das findet man unter folgendem Link: niederdeutsche-literatur.de.

Haben Sie eigentlich ein Lieblingswort auf Platt?

Mein absoluter Liebling ist das Wort „Plüschmors“ – also „Plüschhintern“ für Hummel. Das war das plattdeutsche Wort des Jahres 2008, und ich muss immer noch lächeln, wenn es mir unterkommt. 

Plattdeutsch gehört zu MV. Welche Bedeutung hat die Sprache als kulturelles Erbe?

Plattdeutsch ist Teil unserer regionalen Identität. Ihre Pflege und ihr Schutz sind in unserer Landesverfassung verankert. Außerdem ist MV als Plattsnacker-Land seit 1999 Teil der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen, was bedeutet, dass die Sprache auch im Alltag zum Einsatz kommen kann. Auch die Verfassung selbst gibt es auf Niederdeutsch – es ist also nicht nur eine „kulturelle Sache“, sondern betrifft alle Lebensbereiche. Das spiegelt wider, was viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern leben: eine tiefe Heimatverbundenheit und einen starken Bezug zu den Geschichten und zur Historie ihrer Heimatorte und ihrer Sprache.

Wie fördert das Land den Erhalt der niederdeutschen Sprache? 

Wie gesagt hat sich unser Land schon lange zum Schutz und zur Pflege des Niederdeutschen bekannt und verpflichtet. Diese Verpflichtung äußert sich in vielen Aktivitäten – ich kann hier für die Wissenschaft und die Kultur sprechen und aus meiner Zeit als Bildungsministerin und dort gibt es überall sehr viele Beispiele, wie wir das Niederdeutsche fördern.

Beispiele sind...

...die Heimatschatzkisten, die alle Kindergärten im Land erhalten haben. Es gibt Niederdeutsch als Wahlangebot in unseren Schulen – und zwar als richtiges Fach und an den Profilschulen bis zum Abitur. Außerdem gibt es alle zwei Jahre den Plattdeutsch-Wettbewerb an den Schulen. Im Bereich Wissenschaft finanzieren wir an der Uni Rostock eine Professur für niederdeutsche Sprache. In Greifswald haben wir an der Universität das Kompetenzzentrum für Niederdeutschdidaktik, das das eingangs erwähnte Online-Wörterbuch bereitstellt.

Und in der Kulturförderung?

In der Kulturförderung legen wir einen deutlichen Schwerpunkt auf die Unterstützung von kulturellen Niederdeutsch-Projekten. Nicht nur über die kulturelle Projektförderung. Die Arbeit des Heimatverbandes Mecklenburg-Vorpommern, die zentrale Netzwerkstelle für kulturelles Engagement für die niederdeutsche Sprache, wird im Wesentlichen mit Kulturfördermitteln des Landes finanziert. Der Heimatverband MV vertritt Mecklenburg-Vorpommern auch im Bundesrat für Niederdeutsch.

Welche Projekte werden in MV gefördert?

Projekte von Vereinen wie der Fritz-Reuter-Gesellschaft werden wiederkehrend gefördert. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Förderung der niederdeutschen Bühnen im Land. Diese erhalten – auf Antrag – finanzielle Unterstützung für ihre Inszenierungen und Aufführungen. Mecklenburg-Vorpommern verfügt über eine kleine, aber sehr traditionsreiche Szene ehrenamtlicher niederdeutscher Bühnen.

Bühnen als lebendiges Kulturerbe...

Die Plattdütsch Späldäl to Stralsund, die Niederdeutsche Bühne Rostock und in diesem Jahr die Niederdeutsche Bühne Wismar blicken auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. Die Niederdeutsche Bühne Neubrandenburg besteht schon mehr als 90 Jahre. Die Niederdeutsche Bühne Schönberg besteht auch schon seit 1947. Die Darßer Festspiele bieten seit mehr als 20 Jahren in jedem Sommer eine Inszenierung in plattdeutscher/niederdeutscher Sprache. Nicht vergessen sei die 1926 begründete Fritz-Reuter-Bühne am Mecklenburgischen Staatstheater. Die Niederdeutschen Bühnen sind seit 2014 in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass sich auch die vom Land institutionell finanzierte Stiftung Mecklenburg für die Bewahrung und Pflege der plattdeutschen bzw. niederdeutschen Sprache einsetzt.

Ist Plattdeutsch heute präsenter als noch vor ein paar Jahren? 

Das ist schwer einzuschätzen. Im zurückliegenden Jahrzehnt hat das Thema im Zusammenhang mit dem Programm des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur „Meine Heimat – Mein modernes Mecklenburg-Vorpommern“ von 2016 politisch wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren. Fakt ist, dass sich die plattdeutsche/niederdeutsche Sprache in Mecklenburg-Vorpommern in einem Umbruch befindet, der alltagssprachliche Gebrauch des Plattdeutschen/Niederdeutschen ist mit den Altersgruppen, die noch als „Muttersprachler“ angesprochen werden können, weiter auf dem Rückzug.

Rückzug auf der einen Seite. Und auf der anderen?

Es gibt unter den Jüngeren Entwicklungen, die plattdeutsche/niederdeutsche Sprache neu zu entdecken, sei es als „Fremdsprache“ im Unterricht oder aber als Kulturgut in der Anwendung bei unterschiedlichen kulturellen Genres, in der Musik z.B. dem norddeutschen plattdeutschen Songcontest „Plattbeats“ oder beim plattdeutschen/niederdeutschen Theaterspielen. Das macht mir Hoffnung, dass Plattdeutsch/Niederdeutsch lebendiges Kulturgut in unserem Land bleiben wird.

Was ist in MV geplant, konkret: Welches Programm wird entwickelt oder fortgeschrieben?

2016 haben wir im damaligen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur das Programm „Meine Heimat – Mein modernes Mecklenburg-Vorpommern“ entwickelt. Sicher ist, dass wir es fortschreiben werden. Dafür beraten wir aktuell mit dem Beirat für Niederdeutsch, wie wir es weiterentwickeln und die dort begonnenen Ansätze ausbauen. 

Vernetzung ist dabei sicher ein wichtiges Thema…

Sicher. Immer. Im Land bietet der Heimatverband eine Reihe von Dienstleistungen dafür. Er richtet regelmäßig Runde Tische für die Niederdeutsch-Akteure in Präsenz und online aus. Der Heimatverband hält außerdem auf seiner Website einen „Atlas Niederdeutsch“ vor, mit dem angestrebt wird, die Niederdeutsch-Akteure im Land sichtbar zu machen: www.heimatverband-mv.de. Er ist auch einer der Repräsentanten der Niederdeutsch-Szene in MV auf der Bundesebene, z.B. beim Bundesrat für Niederdeutsch oder dem Bund Heimat und Umwelt, dem bundesweiten Dachverband der Heimatvereine der Länder. 

Apropos Vernetzung. Wie kann Erfahrung aus der Praxis helfen?

Die Landesregierung hat den Beirat für Niederdeutsch- und Heimatpflege berufen, in dem wir uns mit erfahrenen Menschen aus der Praxis zu den Themen Bildung, Kultur und Wissenschaft beraten. Außerdem stehen die acht Bundesländer, die sich für die Regionalsprache Niederdeutsch der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen angeschlossen haben, sowohl untereinander als auch mit der Bundesregierung zu praktischen Fragen in regelmäßigem Austausch.

Bis 15. Juni finden die Plattdeutschen Wochen statt. Welche Bedeutung hat die Veranstaltungsreihe?

Die Plattdeutschen Wochen haben sich seit ihrem Start hervorragend entwickelt und lenken den Blick der Öffentlichkeit auf das Thema. Sie verbinden viele unterschiedliche Aktivitäten, von denen manche – wie der Norddeutsche Tag in Dömitz oder der Plattdütsch Bäukerdag in Rostock – schon seit vielen Jahren stattfinden, aber nun unter der Dachmarke „Plattdeutsche Wochen“ noch einmal zusätzliche Aufmerksamkeit erfahren.

Geplant sich: Chortreffen, Plattdeutsche Lesungen, Theater und Gottesdienste up platt u.v.m.

Die Wochen sind quasi eine „Leistungsschau“ für das vielfältige, vor allem ehrenamtliche, aber auch professionelle Engagement für die niederdeutsche Sprache in allen Teilen unseres Landes. Sie machen die Sprache und ihren kulturellen Wurzeln erlebbar und sind dafür mittlerweile ein sehr wichtiges Format. Die Wertschätzung der Landesregierung für diese Initiative drückt sich nicht zuletzt darin aus, dass die Ministerpräsidentin zum wiederholten Mal auch in diesem Jahr die Schirmherrschaft über die Plattdeutschen Wochen übernommen hat.