15.05.2025

Ein Haus voller Vertellkraft

In Stavenhagen, mitten in Mecklenburg, erzählt ein ganz besonderes Museum auf Platt – mit viel Herz, Haltung und Heimatgefühl. Das Fritz-Reuter-Literaturmuseum – Teil 16 der Plattdeutsch-Serie.

Dort, wo Fritz Reuter 1810 geboren wurde, steht heute das Fritz-Reuter-Literaturmuseum – ein Ort mit „Vertellkraft“ (Erzählkraft), der Literaturgeschichte und Sprachkultur miteinander verbindet. Untergebracht im ehemaligen Rathaus, wo Reuters Vater Bürgermeister war, zeigt das Haus, wie aus dem Sohn eines Amtsmanns der bedeutendste niederdeutsche Schriftsteller wurde. In seinen Büchern stecken nicht nur Humor und Gesellschaftskritik – sondern auch ein tiefer Blick in die norddeutsche Seele.

Plattdeutsch mit „Kopp, Hart un Hand“

Fritz Reuter schrieb mit „Kopp, Hart un Hand“ – mit Verstand, Gefühl und handwerklichem Können. Seine Geschichten wie Ut mine Stromtid („Aus meiner Stromzeit“) machten das Plattdeutsche literaturfähig. Leserinnen und Leser in ganz Europa und darüber hinaus lernten durch ihn eine Sprache kennen, die bis dahin als „Bauernsprache“ galt. Reuter gab dem Plattdeutschen Würde – und Millionen lasen mit.

Literatur, die klingt wie der Norden

Die Dauerausstellung im Museum lässt das 19. Jahrhundert lebendig werden: mit persönlichen Gegenständen, Briefen, Möbeln und Porträts. Besonders eindrucksvoll sind die Hörstationen. Dort hört man, wie Reuter klang – und wie „op Platt snackt“ wurde (wie auf Plattdeutsch gesprochen wurde). Besucherinnen und Besucher bekommen so ein Gefühl für den besonderen Rhythmus und die Bildkraft der Sprache.

Der „Plattdütsche Stammtisch“ – Sprache in Bewegung

Im Veranstaltungsprogramm ist der „Plattdütsche Stammtisch“ eine feste Größe. Hier wird nicht nur geschnackt (gesprochen), sondern auch diskutiert, gelesen und gelacht. Ob jung oder alt – wer Lust hat, kann einfach mitreden. So wird das Museum zum Treffpunkt für Menschen, die das Plattdeutsche nicht nur bewahren, sondern leben wollen.

„Unkel Hers’, wat seggst du?“ – Platt für Plietsche

Auch Kinder kommen im Fritz-Reuter-Museum auf ihre Kosten. Das Spiel „Unkel Hers’, wat seggst du?“ („Onkel Hers, was sagst du?“) bringt ihnen auf spielerische Weise Sprache und Geschichte nahe. Interaktive Stationen erklären Begriffe wie „Lütt“ (klein), „Snack“ (Gespräch) oder „Moin“ (Hallo). Die Idee dahinter: Sprache bleibt nur lebendig, wenn sie auch von den Jüngsten gesprochen wird.

Wat de „Stemhäger“ dorvon hollen

Die „Stemhäger“, wie die Menschen aus Stavenhagen genannt werden, fühlen sich eng mit dem Museum verbunden. Viele kommen regelmäßig zu Veranstaltungen, beteiligen sich an Projekten oder bringen ihre eigenen plattdeutschen Wörter ein. Das Museum ist kein stiller Ort der Erinnerung, sondern ein lebendiges Zentrum für alle, die Kultur und Sprache als Teil ihrer Identität begreifen.

Platt als Kulturgut mit Zukunft

Das Kulturportal MV zeigt in seiner Serie über das Niederdeutsche, welche Rolle das Fritz-Reuter-Literaturmuseum für die Region spielt. Besonders hervorgehoben wird, wie das Haus durch Ausstellungen, Lesungen und Bildungsarbeit die Bedeutung des Plattdeutschen über Mecklenburg-Vorpommern hinaus sichtbar macht. Der jährlich verliehene Fritz-Reuter-Literaturpreis fördert zudem Autorinnen und Autoren, die heute auf Platt schreiben – oft mit Themen, die hochaktuell sind.

Plattdeutsch ist mehr als eine alte Sprache – es ist ein Lebensgefühl. Im Fritz-Reuter-Literaturmuseum kommen Vergangenheit und Gegenwart zusammen. Hier wird nicht nur gesammelt und gezeigt, sondern mit „Snutenpuller un Sinn“ (mit Witz und Verstand) gearbeitet. Wer wissen will, wie Mecklenburg klingt, denkt und fühlt, findet hier Antworten – auf Hochdeutsch und „op Platt“.