19.12.2016

Druckfrisch aus der Maschine geklaubt

Das Deckblatt des Ringelnatz-Kalenders 2017.

Das Buchdruckmuseum in Krakow am See hält seit 18 Jahren alte Technik am Laufen. Blättern wir die Geschichte einmal 550 Jahre zurück. In eine Zeit, als Bücher so wertvoll waren, wie güldene Schätze und nur wenige reiche Bürger sie sich leisten konnten. Als die Mönche in den Klöstern noch jedes Blatt von Hand schrieben. Daran hätte sich wohl lange nichts geändert, wenn nicht Johannes Gutenberg aus Mainz um das Jahr 1450 eine druckreife Erfindung machte.

Dank ihm konnten Bücher im „Schnellverfahren“ produziert werden. Angestachelt davon, wollten immer mehr Leute lesen. Und so schrumpfte das Heer der Analphabeten in den folgenden Jahrhunderten. Das Wissen gehörte nun allen. Bis heute fungieren Bücher in Wissenschaft, Forschung und Bildung als zentrales Lehrmittel.

Ein Unikat in Mecklenburg-Vorpommern

Apropos Bildung. Irgendwann in der fünften bis achten Klasse steht das Thema Buchdruck auf dem Stundenplan. Im Lehrbuch finden sich ein paar Zeilen dazu. Doch es gibt Lehrer, denen reicht das nicht aus. Hallo! Es geht um Gutenberg! Den Deutschen, der von US-amerikanischen Journalisten vor nicht allzu langer Zeit zum „Man of the Millennium“ gewählt wurde - also zur wichtigsten Person des zweiten Jahrtausends. Und so verfrachten diese aufgeweckten Lehrer ihre Schüler in den Bus oder die Bahn, um mit ihnen nach Krakow am See zu fahren. Dort befindet sich das Buchdruckmuseum - ein Unikat in Mecklenburg-Vorpommern. So wie dieses Museum hätte ein original Buchdruck-Familienbetrieb der 1920er- und 30er-Jahren ausgesehen. Wie damals rattert und klackert es im Bauch des alten Gebäudes. Auch in Krakow gab es einmal eine Druckerei-Firma. Doch die wurde 1990 stillgelegt. Zum Glück war Hans-Hilmar Koch zur Stelle. Der Retter der „Schwarzen Kunst“ sorgte dafür, dass die komplette Technik und Ausstattung der 150 Jahre alten Firma später ins Museum wanderte.

Hans-Hilmar Koch rettet die „schwarze Kunst"

Auch das Schmuckstück, eine Mergenthaler Zeilenguss- und Setzmaschine von 1885. Unzählige Stunden hat er für den Aufbau benötigt. Doch das war ihm die Anstrengung wert. Hans-Hilmar Koch hatte sich zur Wendezeit als gelernter Agraringenieur zum Drucker umschulen lassen. In jenen Tagen erlebte er, wie „über Nacht alle alten Maschinen rausgeschmissen und durch moderne ersetzt wurden". Auch in den alten Bundesländern verdrängten der Fotosatz, Offsetdruck, Computer- und Kopiertechnik die herkömmlichen Buchdruckereien. Hans-Hilmar Koch, der gerade erst sein Herz an diese faszinierende Technik verloren hatte, wollte nicht, dass die Schwarze Kunst verschwindet. Bundesweit sammelte er schrottreife Druckereitechnik und anschauliche Dinge, die die Geschichte von Gutenberg bis zur Industrialisierung erzählen. Von Anfang an wollte er sein Museum, das 1998 in Krakow am See eröffnete, zum Anfassen schön gestalten. „Wer mag, soll sich ruhig die Finger schmutzig machen beim Färben der Lettern“, dachte sich der Wahlmecklenburger und rief Kurse und Workshops ins Leben. Alle anderen Leute gucken ihm einfach über die Schulter. Denn der 56-Jährige waltet nicht als trockener Museumsführer seines Amtes. Er hat das Museum so konzipiert, dass er es als Werkstatt für eigene Arbeiten nutzen kann.

Erste Exemplare druckfrisch aus dem Museum

In guter alter Manier druckt er Visitenkarten, Poster, Künstlerbücher und Kalender. Während der Arbeit kann er seinen Zuschauern die Abläufe Schritt für Schritt demonstrieren. Besonders beliebt beim Stammpublikum ist der Ringelnatz-Kalender, den er gemeinsam mit Arndt Weigend, einem befreundeten Bildhauer aus Rukieten, seit sieben Jahren herausgibt. „Es gibt Liebhaber, die nehmen die ersten Exemplare gleich druckfrisch aus dem Museum mit“, erzählt Hans-Hilmar Koch und presst ein zufriedenes Lächeln hervor. Der Museumsgründer ist froh, dass es mit seiner Einrichtung gut läuft. „Viele Museen verschwinden ja wieder, wenn die Förderung ausläuft“, so Hans-Hilmar Koch. „Klar war es auch für mich lange Jahre nicht einfach, mit der Schwarzen Kunst mein Brot zu verdienen.“ Doch am Traum von einer historischen Druckerei festzuhalten, hat sich gelohnt. Hans-Hilmar Koch kann heute frei nach seinem eigenen Rhythmus arbeiten. Er ist nur der Neugier der Museumsbesucher und dem Takt der Maschinen unterworfen. Ansonsten lässt er sich nicht unter Druck setzen. Text und Fotos: Anja Bölck

Hans-Hilmar Koch steht vor einer schwarzen Druckmaschine und hält ein bedrucktes Blatt in der Hand.

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