22.12.2022

Es war einmal eine Städtische Volksbücherei

Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von zwei Kindern, die in Karteikarten-Schubladen blättern.
Hexen und Zauberer, Ritter und Prinzessinnen – Kinder fanden über Karteikarten die Bücher zu ihren Heldinnen und Helden.
Zwei Kinder sitzen auf bunten Sitzkissen und lesen. Hinter ihnen stehen Bücherregale.
Kleinen Leseratten gehört heute ein eigenes Reich. In Sitzsäcken versinken Kinder in Märchen und Geschichten.
Ein langer LKW. Auf dem Anhänger steht "Fahrbibliothek". Vor der geöffneten Tür im Anhänger stehen Leute. Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme.
Bis 1992 versorgte eine Bibliothek auf Rädern Schwerinerinnen und Schweriner in den Randbezirken mit Lesestoff. Der Service wurde aus wirtschaftlichen Gründen allerdings eingestellt. 
Vor dem Eingang der Bibliothek steht ein Lastenfahrrad mit der Aufschrift "Medienbote".
Heute fahren Bibliotheksmitarbeiterinnen Leihgaben wieder zu einem vereinbarten Termin direkt nach Hause aus, zum Teil mit dem Lastenfahrrad. Besonders mobil eingeschränkte Schwerinerinnen und Schweriner können den Service nutzen.

Seit rund 100 Jahren schmökern Schwerinerinnen und Schweriner in der Stadtbibliothek. Erst war sie eine ehrenamtlich betriebene Bücherausleihe. Mittlerweile ist sie ein Begegnungsort mit etwa 110.000 physischen und 96.000 digitalen Medien. Die Transformation der Schweriner Stadtbibliothek. 

Der Schweriner Künstler Tino Bittner klebt Kacheln mit Buchstaben an die gläserne Häuserfront in der Einkaufspassage der Schweriner Höfe. Jeder Buchstabe besitzt mindestens einen Sponsoren. Die Kunstaktion zum 100. Jubiläum der Schweriner Stadtbibliothek zeigt beispielhaft, wie sich die Bücherei in ihre Stadt integriert.

Mehr als 7.200 registrierte Nutzerinnen und Nutzer. Dazu unzählige unregistrierte Leseratten und Bücherwürmer. Sie begegnen sich seit 2013 im Klöresgang oder in den Zweigstellen in Lankow und Neu Zippendorf. 

Gelebter Bücherbetrieb 

16 Mitarbeiterinnen und eine Auszubildende horten, sortieren, organisieren und pflegen Medien, beraten und begeistern deren Rezipientinnen und Rezipienten. Weniger Beruf, eher Berufung. Rund 40 Engagierte des 2012 gegründeten Freundeskreises der Stadtbibliothek Schwerin e.V. ergänzen den Bücherbetrieb, der durch seine Ehrenamtler viel mehr ist als eine Bücherei.

„Ihnen verdanken wir unseren Kaffeeautomaten, der Besucherinnen und Besucher besonders an kalten Tagen rege nutzen. Die Ehrenamtlichen lesen unseren Lütten samstags vor, organisieren Bücherbasare, Buchpaten, digitale Adventskalender und akquirieren Fördermittel. Mit dem Geld gestalteten wir zum Beispiel unsere Jugendecke", sagt Direktorin Grit Wilke.

Analoge und digitale Medien

In den vergangenen Jahren wandelte sich die Bibliothek vom Bücherhort zum Begegnungsraum. Mehr als 1.500 Besucherinnen und Besucher kamen im Jubiläumsjahr zu Veranstaltungen. In Couches, Sesseln und Sitzsäcken versanken sie in Geschichten. 

„Wir bieten physische und immer mehr digitale Medien an", sagt Grit Wilke. Seit einigen Jahren leihen sie durch die Onleihe von überall und jederzeit e-Books, e-Magazine und e-Audios. 

Bibliothek der Dinge ermöglicht Teilhabe

In der Bibliothek der Dinge können Sehschwache außerdem unter anderem Beamer, Hörstifte, Bodenroboter ausleihen. Mit MakerBoxen können Besucherinnen und Besucher eigenständig experimentieren. „Sogar ein 3D-Drucker steht für eigene kreative Projekte bereit", sagt die Leiterin. 

Mit einer sogenannte Selbstverbuchungstechnik können Nutzerinnen und Nutzer voraussichtlich vom kommenden Jahr an geliehene Medien außerhalb der Öffnungszeiten zurückgegeben. In naher Zukunft mit einem gültigen Bibliotheksausweises jederzeit Medien ausleihen.

Hatte die Stadtbibliothek während der Corona-Pandemie knapp 2.000 Mitglieder verloren, rappelt sie sich wieder zum begehrten Begegnungsort. Besonders Kindergärten und Schulen nutzen die Angebote. „Für Bibliotheken zählen ihre Besucherinnen und Besucher mittlerweile mehr als ihre registrierten Nutzerinnen und Nutzer. 

Auch die Buchstaben an der Glasfassade sponsern Schweriner Familien, die die Bibliothek zwar nutzen, allerdings keinen Ausweis besitzen. Übrigens sind einige Letter für Literaturunterstützer noch zu haben.

Historische Bilder aus der Bibliothek

Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Hausfassade. Darauf steht "Volksbücherei".
Die erste hauptamtliche Bibliothekarin wurde 1924 eingestellt. Vier Jahre später kam die Bibliothek in städtische Trägerschaft. Weil der Bestand an Medien immer weiter wuchs, zog die Hauptstelle bis heute fünfmal um.
Ein Mann steht vor einem Bücherregal und sucht ein Buch. Schwarz-Weiß-Aufnahme.
1. März 1939: Mit dem Umzug in ein neues Domizil am Marienplatz durften Bürgerinnen und Bürger erstmals selbst an die Regale treten und Bücher heraussuchen.
In einem Raum steht ein Tisch mit Stühlen. An der Wand befinden sich Bücherregale. Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme.
Während der 30er- und 40er-Jahre wurde der Bestand an Büchern immer wieder durch politisch motivierte „Säuberungen“ reduziert.
Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von Bücherregalen in der Bibliothek.
Nach recht entbehrungsreichen Nachkriegsjahren, stieg die Zahl der Mitarbeiterinnen bis 1954 auf 12, die Zahl der Bücher auf 20.500 an.
Eine Außenansicht von einem früheren Standort der Bibliothek.
Die Stadtbibliothek zog im Jahr 1963 in die Räume der ehemaligen Reichsbank in der Goethestraße 72. Von 1969 bis 1990 bildete sie zusammen mit der Landesbibliothek die „Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek des Bezirkes Schwerin“.
Ein Bibliotheksraum. Darin verteilen sich viele Bücherregale. Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme.
1984 bezog die Bibliothek das vorher von der Schweriner Volkszeitung genutzte Perzinahaus in der Wismarschen Straße 144.