17.06.2016

Koloss mit Tiefgang

Ein Kameramann filmt Charly Hübner.
Charly Hübner bei Dreharbeiten in Schwerin

Egal, wo sich Charly Hübner blicken lässt, immer könnten Fans auf der Stelle mit ihm ein Bierchen trinken gehen. Kein Wunder. So wie der 1,92 Mieter-Koloss schmunzelt. Uneitel. Verständnisvoll. Da geht es den Fans in Hamburg nicht anders als denen in Mecklenburg und Vorpommern.

Auf dieser Achse pendelt er denn auch ständig hin und her. Entweder, weil mal wieder ein Dreh geplant ist oder er von seinem Zuhause Nummer 1 in Hamburg ins Zuhause Nummer 2 in der Mecklenburgischen Seenplatte unterwegs ist. „Ein Paradies”, nennt er diese Region. „Das ist eben eine Traumgegend”, schwärmt er in tiefer, geerdeter Stimme. „So oft wie möglich fahren wir hin. Da beginnt der Wald vor der Tür, der erste See ist 100 Meter entfernt, und sieben andere kommen danach...”

Traumkindheit in Traumgegend

In dieser Traumgegend verbrachte Charly Hübner seine Traumkindheit. Als Kind von einem Gastwirt-Ehepaar wuchs er in Feldberg bei Neustrelitz auf. Carsten, so hieß er damals noch mit Vornamen, genoss das Leben auf dem Land. Er ist 16, als die Mauer fällt. Fünf Tage später reist er zum ersten Mal in den Westen. An einer Losbude gewinnt er zwei mal 125 Mark. Mit der Tasche voll BASF-Kassetten kehrt er nach Hause zurück. Der junge Charly Hübner ist ein großer Heavy-Metal-Fan und leidenschaftlicher Headbanger. Dennoch will er nicht Musiker, sondern Schauspieler werden. Nach dem Abi am Carolinum Gymnasium in Neustrelitz arbeitet er voller Hingabe als Schauspieleleve und Regieassistent am Landestheater Neustrelitz. Kein Wunder, dass bei der Begeisterung 1993 ein Studium an der Berliner Ernst Busch-Schauspielschule folgt. Bis er die ersten Nebenrollen fürs Fernsehen annimmt, steht er jahrelang auf Bühnen in Frankfurt, Zürich, Berlin und Köln.  

Durchbruch mit oscarprämiertem Spielfilm

Seinen Durchbruch schafft Charly Hübner 2006 mit dem Auftritt im oscarprämierten Spielfilm „Das Leben der Anderen”. Hier schlüpfte er in die Rolle des Stasi-Oberfeldwebels. Seit 2010 begibt sich Charly Hübner mit Anneke Kim Sarnau im Rostocker „Polizeiruf 110” auf Verbrecherjagd. Um den Kommissar  perfekt verkörpern zu können, geht der Schauspieler vor dem Dreh gerne zum Boxtraining. Auffällig häufig spielt er in Filmen über die DDR-Zeit mit. 2015 sah man ihn in „Bornholmer Straße”, wo er den Maueröffner Harald Jäger mimte und dafür wenig später den Grimme-Preis erhielt.

In „16×Deutschland” lieferte er den Teil über MV

Traumgegend. Traumkindheit. Fehlt nur noch Traumfrau. Lange fragte sich Charly Hübner, was das denn sein soll? Die Traumfrau. Als einsamer Wolf und Ehemuffel zog er durch sein Leben. Bis er vor vier Jahren bei Theaterproben die Schauspielerin Lina Beckmann kennenlernte. Mit ihr wollte er fortan sein Leben rocken. Heute wohnen sie gemeinsam mit Linas Sohn Karl in Hamburg. So oft es geht, tauchen sie in die Mecklenburgische Seenplatte ein. Charly Hübner fühlt sich hier noch immer Zuhause. 2013 drehte er sogar als Regisseur seinen ersten kleinen Dokumentarfilm über die alte Heimat für die ARD-Dokumentation „16×Deutschland” lieferte er den Teil über Mecklenburg-Vorpommern. Gern würde er mal einen Film über Neonazis in MV drehen. Das Thema liegt ihm auf der Seele, zumal sich im Süden von Mecklenburg ein besonders „brauner Teppich” breit mache. So sehr er die stille, bodenständige Art der Landsleute auch schätzt, viele Menschen in seiner alten Heimat erscheinen ihm doch als sehr rückwärtsgewandt.

Einfach anders schön

Auf Klassentreffen lässt sich der 43-Jährige übrigens nicht mehr blicken, weil sich dort alles nur noch um ihn dreht. Da könnte er glatt neidisch werden auf Hausmeister Block. Den „Normalo” spielte er im Streifen „Anderst schön”. Der schüchterne Mann im blauen Kittel lebt mit gescheiterten Existenzen in einem Hochaus und sehnt sich nach der großen Liebe. Die Dreharbeiten zu dieser zartbitteren Romanze liefen im Schweriner Plattenbaugebiet Mueßer Holz. Es war nicht zu übersehen: Charly Hübner war die Rolle wie auf den Leib geschnitten. Mit breiten Schultern stand er in den Drehpausen im Hausmeisterkittel da. Fröhlich grinsend. Herumblödelnd. Einfach anders schön.