31.10.2016

Wie der Verein „Rothener Hof“ dem Strukturwandel auf dem Land entgegentritt

Frauen und Männer sitzen in einem Stuhlkreis.

Hügel und Seen, trompetende Kraniche, der Gemüsegarten hinterm Lattenzaun. Mecklenburg-Vorpommern auf dem Lande kann so idyllisch sein. Und so einsam: Wenn es zum nächsten Kino 30 Kilometer sind und kein Bus fährt. Wenn die Kneipe lange zu hat und die meisten sowieso weggezogen sind.

Das kleine Dörfchen Rothen bei Sternberg war da keine Ausnahme. Wer hierher fahren will, muss in Borkow scharf von der B 192 abbiegen und rollt dann durchs mecklenburgische Hügelland bis zum Rothener See. An der Idylle ist also schon mal das Häkchen dran. An der Einsamkeit dagegen nicht: Rothen hat sich in den zurückliegenden Jahren zu einem lebendigen Dorf entwickelt. Zu einem, in dem Ausstellungen und Konzerte stattfinden, Märkte locken und die Kneipe brummt. Einen großen Anteil daran hat der Verein „Rothener Hof“. Der Verein entstand im Jahr 2001, weil sich Leute aus den umliegenden Dörfern zusammenfanden, um sich um das Gebäude des einstigen Gutshofes zu kümmern und „etwas damit zu machen“, wie Christian Lehsten sagt. Er zog 2004 mit seiner Familie nach Rothen ins Gutshaus und machte mit – wie viele, die sich in den zurückliegenden Jahren hier einen neuen Lebensmittelpunkt suchten. Dazu gehörten zum Beispiel Tine und Wolf Schröter, die seit 1985 in der Rothener Mühle leben. Anfang der 2000er Jahre öffnete die Schmiedin und Metallgestalterin Takwe Kaenders, heute Vorsitzende des Vereins Rothener Hofs, dann im ehemaligen Kuhstall ihre Werkstatt, schnell gab es außerdem erste Kindermalkurse und Kinderzirkuskurse. „Natürlich sind die Protagonisten anfangs skeptisch als Grüne und Alternative beäugt worden“, sagt Christian Lehsten. „Inzwischen wissen die Dorfbewohner, dass der Verein maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Rothen ein lebendiges Dorf ist.“ Und wenn am Anfang die Idee stand, etwas mit dem Gebäude zu machen, dann auch die, es zusammen mit einem Verein als Plattform für vieles zu entwickeln. Mit den Jahren kamen eine Schreinerei und eine Glaswerkstatt dazu. 2006 öffnete die „Rothe Kelle“, die seitdem Gaststätte und Dorfkneipe gleichermaßen ist. Mit dem Ausbau eines Ausstellungs- und Veranstaltungsraums im Dachgeschoss des ehemaligen Stalls ist Platz für Kulturelles und ein regelmäßiges politisches Forum hinzugekommen. Das Podium „Rothener Hof“ wagt sich an Themen, die im aktuellen politischen Kontext stehen. In diesem Jahr war Grünenpolitiker Reinhard Bütikofer zu Gast, im vergangenen Jahr die ehemalige Finanzministerin Sigrid Keler. Kultur macht einen wichtigen Teil der Vereinsarbeit aus, zu Kunst offen strömen jedes Jahr hunderte Besucher nach Rothen. „Überhaupt hat sich die Verbindung von Arbeit und Kultur als sehr fruchtbar erwiesen“, sagt Christian Lehsten. Dadurch, dass sich wertschöpfende Werkstätten im Hofgebäude befinden, hält sich das Haus – und es wird Schritt für Schritt weiter ausgebaut. Die komplette Sanierung ist nach 15 Jahren immer noch nicht abgeschlossen und Christian Lehsten findet das richtig. „Die Kontinuität hat sich als richtig erwiesen“ sagt er, anderswo würden Räume, in die mit Fördermitteln investiert wurde, leer stehen. Der Verein hat rund 75 Mitglieder, von denen ein Drittel in der Umgebung lebt und der Rest in ganz Deutschland verteilt ist. Es gibt einen harten Kern von Aktiven und eine gute Zusammenarbeit innerhalb des Dorfes, wo mit dem Gutshaus und der Rothener Mühle weitere Kulturpunkte entstanden sind. Das Engagement bleibt auch überregional nicht unbemerkt: 2011 erhielt der Verein den Regine-Hildebrandt-Preis. In der Laudatio wurde vor allem der Einsatz gegen die Auswirkungen des Strukturwandels im ländlichen Raum in Mecklenburg-Vorpommern gewürdigt. Autorin: Katja Haescher