18.05.2016

Ein Kolumbianer in Neustrelitz

Ein Porträt von Andrés Felipe Orozco
Andrés Felipe Orozco

Er mag es temperamentvoll. Andrés Felipe Orozco kommt aus Kolumbien. Aber weil die Bewohner des südamerikanischen Landes sich mit den Spaniern sehr verbunden fühlen, ist der Tenor inspiriert, wenn die Kastagnetten klappern – die er selber auch als Instrument beherrscht.

In erster Linie geht es ihm natürlich um die klassischen Werke etwa von George Bizet. In dessen Oper „Carmen“ hat Orozco bereits mehrfach in verschiedenen Inszenierungen Rollen übernommen.

Aber der Mann mit der weichen, aber doch kräftigen Stimme ist unglaublich vielseitig und übernimmt an Rollen, was die Opernliteratur hergibt: unter anderem Orpheus in „Orpheus in der Unterwelt“, Don Ramiro in Rossinis „La Cenerentola“ und anderes. Dazu fasziniert ihn die leichtere Muse, und so ist er auch in Operetten und Musicals zu erleben, etwa in „Der Graf von Luxemburg“, „Gasparone“, „Hello Dolly“ oder „Der Mann von la Mancha“ und „Im weißen Rössl“. Und das ist nur das Repertoire der Theater und Orchester GmbH in Neubrandenburg und Neustrelitz, zu dessen Ensemble Orozco gehört.

Der Sänger stammt aus der kolumbianischen Stadt Cali, der drittgrößten Stadt Kolumbiens. Gelegen im Südwesten des Landes, zweieinhalb Millionen Einwohner. Orozcos Bildungsweg führte nicht direkt auf die Opernbühne. Zunächst absolvierte er ein Journalismus- und ein Musikpädagogikstudium an der Universität von Valle. Gesang hatte es ihm aber schon lange angetan, weshalb er zusätzlich in Cali ein Gesangsstudium mit dem Schwerpunkt Liedinterpretation am Konservatorium „Antonio María Valencia“ bei der Sängerin Margarita Castro-Alberty in Angriff nahm.

Dann wagte Orozco den großen geografischen Schritt – und ging nach Europa. Er kam nach Köln, wo er an der Hochschule für Musik bei Kammersänger Dieter Schweikard sein Diplom in Künstlerischer Gesangsausbildung ablegte – und zwar mit Auszeichnung.

Nach dem Studium blieb der Musiker zunächst in der Karneval-Hochburg. Andrés Felipe Orozco war Mitglied des internationalen Opernstudios der Oper Köln, wurde später in das dortige Ensemble übernommen und erhielt wichtige Preise, etwa 2009 den „Jacques-Offenbach-Preis“ für die beste künstlerische Leistung und stimmliche Entwicklung.

Darauf bekam er das Richard-Wagner-Stipendium für die Bayreuther Festspiele 2009 und war im Jahr 2011 Preisträger des europäischen Operettenduett-Wettbewerbs der Stadt Poznań (Polen). Die Verbindung in seine Heimat ließ er nicht abreißen: In der Spielzeit 2014/2015 debütierte er an der kolumbianischen Staatsoper in Bogotá mit der Rolle des Pong in „Turandot“. Orozco arbeitete auch als Gast in verschiedenen Theatern wie in der Staatsoper Hannover, dem Staatstheater Braunschweig sowie dem Stadttheater Aachen.

Seit der Spielzeit 2009/2010 singt der lyrische Tenor in Neustrelitz. Wahre Begeisterungsstürme erntete er für seine Rollen als Tamino in „Die Zauberflöte“, Graf Almaviva in „Der Barbier von Sevilla“, Fenton in „Die Lustigen Weiber von Windsor“ und Don Ottavio in „Don Giovanni“.

Kritiker bescheinigen Orozco mal einen frischen Tenor mit angenehmem Timbre, dann wieder eine „wuchtige Stimme“ mit der Durchsetzungskraft eines starken Charakters. Große Wandlungsfähigkeit ist also Programm bei diesem Sänger, der auch gern über den Tellerrand der klassischen Oper hinausblickt. Orozco, der vor seinem Studium sogar in einer Rockband spielte, mag Popmusik und Jazz. Er hört gern lateinamerikanische Rhythmen, und er tanzt dazu. „Das hat bei uns Tradition“, sagt er.