12.10.2022

Jutta Ebnother choreografiert Camille Claudel

Drei Balletttänzer bilden eine Formation. Schwarz-Weiß-Aufnahme.

Die tragische Intensität der französischen Bildhauerin Camille Claudel (1864-1943) bannt die Choreographin Jutta Ebnother seit mehr als einem Jahrzehnt. Die ausgebildete Tänzerin arbeitet an einer zweiten Performance über die Pariserin. Für ihr Projekt gab ihr das Land Mecklenburg-Vorpommern ein Stipendium. Ein Vorhaben, das die 50-Jährige herausfordert.

Die Künstlerin Camille Claudel lebte und schaffte im 19. Jahrhundert. Sie war Schülerin und Geliebte des französischen Bildhauers Auguste Rodin (1840-1917) und die heimliche Leidenschaft des Komponisten Claude Debussy (1862-1918). Gequält von Verfolgungswahn und Verschwörungstheorien verbrachte sie ihre letzten Jahrzehnte in einer Psychiatrie. Verwirrt aber nie vergessen.

Die Intensität der französischen Bildhauerin fasziniert die Choreografin Jutta Ebnother. „Ihre Tragik berührt mich. Dazu kommt meine Affinität zur bildenden Kunst. Persönlichkeiten wie Camille Claudel, Frida Kahlo oder Andy Warhol sind für mich große Inspirationsquellen. Ich setze mich mit ihrer Person, Geschichte und Kunst auseinander. Diese möchte ich mit meinem Publikum teilen”, sagt sie.

Erzählt in der Sprache der Bewegung

Mehr als 17 Jahre lang choreografierte Jutta Ebnother am Theater Nordhausen (2008-2016) und am Mecklenburgischen Staatstheater (2016-2021). Sie entwickelte Bewegungssprache, übertrug Ideen aus ihrem Kopf auf die Körper anderer Tänzerinnen und Tänzer. 

Im Jahr 2009 kreierte sie eine abendfüllende Ballett-Inszenierung über Camille Claudel, ihre Person, ihre Beziehung zu August Rodin und ihre Liebe zu ihrem Bruder. Jutta Ebnother blickt gern auf diese Kreation zurück. 17 Jahre arbeitete sie in einer Festanstellung. In der Pandemie wurde ihr Vertrag auf Grund von Intendantenwechsel am Mecklenburgischen Staatstheater nicht verlängert. Sie entschied sich für die Freiberuflichkeit. „An diese ungewohnte Freiheit, in der ich keine Institution mehr vertrete, gewöhne ich mich nach wie vor. Es ist herausfordernd und schön. Ich choreografiere unter anderem für die Deutsche Tanzkompanie in Neustrelitz”, sagt die Schwerinerin. 

In ihrer vielfältigen Ausdrucksform möchte die freischaffende Choreografin nun erneut von Camille Claudel erzählen – in einer 15 bis 20-minütigen Choreografie, einer Performance mit ihrem eigenen Körper. Dieses Mal sollen die Werke der Bildhauerin im Mittelpunkt stehen. Camille Claudels Arbeiten sind eng verwoben mit ihrem Schicksal und ihren Emotionen.

Das erste Stipendium ihres Lebens

Für ihr Vorhaben erhielt Jutta Ebnother, die ihre aktive Tanzkarriere vor knapp 20 Jahren beendete, ein Stipendium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Das erste Stipendium ihres Lebens schafft Freiraum für Recherchen und Organisation, „ein Samen” für ihr Projekt über Camille Claudel. Sie sagt: „Ich habe einen hohen Anspruch an mich selbst. Daher fordert mich mein Vorhaben heraus. Wo liegt mein Limit als 50 Jahre alte Tänzerin? Wie viel Stärke brauche und besitze ich?” 

Jede Performance enthält einen Teil von Jutta Ebnother. Sehr intim. Sehr verletzbar. So wie die Arbeiten von Camille Claudel. Werk für Werk und Schritt für Schritt nähert sich die Schwerinerin Choreografin der Pariser Bildhauerin an. Sie möchte das Wesen der Camille Claudel begreifen und erzählen. Ein Wesen, das dem ihren ähnelt, wie Jutta Ebnother sagt.

Subtile Impulse kombiniert mit Musik

Dafür liest und recherchiert sie viel. Auf einem Blog „Camille Claudel: Orte der Erinnerung an eine große Bildhauerin“. Im Buch „Camille Claudel 1864-1943“ geschrieben von Reine-Marie-Paris. Auch die Enkelin von Paul Claudel gab ihr einen subtilen Impuls für ihre Arbeit. Die Choreografin kombiniert Bewegung mit Musik von Claude Debussy, auf dessen Klavier die Skulptur Walzer von Camille Claudel stand. Sie verwebt beides mit Texten, die eingesprochen werden. 

Irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern möchte Jutta Ebnother ihre Choreografie tanzen. Vielleicht zu einer Vernissage in Galerien (Kunstverein Mecklenburg-Vorpommern) oder Museen (Staatliches Museum Schwerin, Kunstmuseum Rostock) oder auch auf verschiedenen Bühnen im Rahmen eines Tanzfestivals um auf diese besondere Künstlerin (oder Camille Claudel) aufmerksam zu machen. Vielleicht in Gummistiefeln und Lehm verschmierten Kittel.

Bedeutende Choreografien von Jutta Ebnother

Eine Person liegt mit aufgestellten Beinen am Boden. Schwarz-Weiß-Aufnahme.
  • 2021 Schumann - Clara (Anhaltisches Theater Dessau, 15 Min.)
  • 2019 Geliebte Clara (Mecklenburgisches Staatstheater, abendfüllend)
  • 2018 Die Schöpfung (Mecklenburgisches Staatstheater, abendfüllend)
  • 2017 Mazl Tov! (Mecklenburgisches Staatstheater, abendfüllend)
  • 2016 Ravel (Mecklenburgisches Staatstheater, abendfüllend)

Weitere Choreografien