Ein historischer Springbrunnen. Wiese. Im Hintergrund steht das Schloss.
Schloss Vietgest – ein Herrenhaus im barocken Stil. Erbaut von 1792 bis 1794 wechselte es im Laufe der Jahrhunderte mehrfach die Besitzer. 2019 macht es Familie Hager zu ihrem neuen Lebensmittelpunkt – und einem Zuhause für Kultur.
16.07.2022

Ein Zuhause für Kultur

Ein Mann und eine Frau stehen nebenaneinder hinter einem Klavier.
Miriam und Helge Hager suchen jeden Künstler und jede Künstlerin für ihren Kultursommer persönlich aus.
Martin Tingvall sitzt am Klavier. Miriam Hager steht daneben.
Zum Auftakt in den Kultursommer 2022 begrüßte Miriam Hager den Pianisten Martin Tingvall. Oder wie Udo Lindenberg sagt: den Edvard Grieg des Jazz.
Das Treppenhaus. Weißes Geländer mit rotem Handlauf. Holztreppen. Gelbe Wände. Ein Gemälde hängt an der Wand.
Liebe zum Detail statt unsanierter Leere. Bei Bedarf geht’s auch mit einem Fahrstuhl nach oben.

Was kommt dabei heraus, wenn man nachts im Internet nach einer neuen Bleibe stöbert? Für Miriam und Helge Hager ein Schloss, mit dem sie sich einen Traum erfüllen. Für die alten Gemäuer in Lalendorf eine neue Zukunft. Hereinspaziert ins Schloss Vietgest und seinen Kultursommer!

Nichts auf der Welt kann eine Idee aufhalten, deren Zeit gekommen ist, pflegte Schriftsteller Victor Hugo, geistiger Vater des Glöckners von Notre Dame, einmal zu sagen. Als Miriam und Helge Hager vor drei Jahren finden, es ist Zeit ein Schloss zu kaufen, unternehmen ihre Töchter gar nicht erst den Versuch, die Eltern aufzuhalten. Die beiden wissen: Wenn sich Mama und Papa erst einmal etwas in den Kopf gesetzt haben... Und eine alte Burg haben sie ja schon. Hört sich abenteuerlich an? Das ist es auch. Und gehört genau deshalb zum Leben der Hagers. Zu ihrem ganz persönlichen „Abenteuer Leben“. 

Das führt sie vor zehn Jahren, nach einem Lebensabschnitt in Argentinien, zurück in Richtung Hamburg. „Eine Wohnung? Ein Haus? Ins Grüne? In die Stadt? Wir wussten damals nicht so richtig, was wir wollen“, erzählt Miriam Hager. Ihre Unschlüssigkeit stolpert über Burg Henneberg. Einen Nachbau der gleichnamigen Burg in Thüringen, etwas mehr als 120 Jahre alt, rund 50 Quadratmeter groß. „Und damit die wohl kleinste Burg der Welt.“ 

Schlaflos auf Schlosssuche 

Reisen. Landschaften. Tanzen. Kunst. Kultur. Miriam und Helge Hager verbinden viele Leidenschaften. Auch eine große Affinität zu Gebäuden mit Geschichte. Sie kaufen die Burg. Mit Herzblut und Idealismus, Schweiß und einer Menge Geld bringen sie ihr „Alsterschlösschen“ und seinen Park auf Vordermann. Nach einem Jahr laden die Hagers zu ersten Konzerten. Schnell sind ihre Veranstaltungen kein Geheimtipp mehr, die Burg auch ein gefragter Ort für Feierlichkeiten – und Miriam Hager bei der Organisation ganz in ihrem Element. Ein Manko vermag aber auch die beste Organisation nicht beheben: den begrenzten Platz der Burg. 

Die Hagers planen deshalb parallel eine Nummer größer. Ihre Geografie der Wahl: Mecklenburg-Vorpommern. Weil sie hier schon oft waren und es viele Gebäude mit Geschichte gibt. Eines nachts 2019 googelt Miriam Hager nach Schlössern in MV. Der erste Treffer wirbt für Vietgest. Ein altes Herrenhaus, zwischen Güstrow und Teterow. Erbaut am Ende des 18. Jahrhunderts. 2000 Quadratmeter groß. Mit sechs Hektaren Park. Und einem Vorbesitzer, der das Gebäude außen bereits mit viel Aufwand renoviert hat. „Wir waren überwältigt.“ Sie bleiben es auch nach einem Rundgang durch die unsanierte Leere hinter der Fassade. „Wir sind beide sehr fantasiebegabt“, resümiert Miriam Hager die ersten Eindrücke. Luftschlösser bauen – das wollen wie aber nicht. „Wir haben noch ungefähr zwei Monate überlegt und dann auf unser Herz gehört.“ Im Dezember 2019 laden sie zu ersten Willkommenskonzerten. 

Achterbahn der Emotionen

Herzblut. Idealismus. Schweiß. Investitionen. Baustopp. Eröffnung. Vier Wochen später: Lockdown. Das erste Jahr als Schlossherren – eine Achterbahn der Emotionen. Die Hagers nutzen den Stillstand, arbeiten sich Raum für Raum voran. Für die Kultur und das Hotel. Im Juni 2021 öffnen sie Schloss Vietgest wieder, laden zum ersten „Kultursommer“, holen sie zum Beispiel Pianist Joja Wendt, Schriftstellerin Kirsten Boie und Schauspieler Sky du Mont in ihren Veranstaltungskalender. In diesem Sommer geht es weiter. Füllt sich der barocke Saal mit Jazz, Blues, Swing, Soul, Tango, Pop und Lesungen. An den Tagen davor, dazwischen und danach kann geheiratet und gefeiert werden. Was ihr jetzt zur ihrem Glück auf Schloss Vietgest noch fehlt? „Ein Koch oder eine Köchin!“ 

Ein Schloss und eine Burg zu betreuen – ist das nicht ein bisschen verrückt? „Ja, klar!“ Das findet Burg- und Schlossherrin Miriam Hager auch selbst. „Gerade das beflügelt uns aber.“ Nichts auf der Welt kann eben eine Idee aufhalten, deren Zeit gekommen ist. 

Ein Saal. Zwei Kronleuchter hängen von den Decken. Im Raum stehen Stühle und ein Klavier. Durch fünf hohe Fenster fällt Licht.
Der barocke Saal im Obergeschoss ist das Herzstück des Hauses. Und wie hält man die Gemäuer bei Kälte warm? „Mit einer Luft-Wärmepumpenheizung und einer Photovoltaikanlage.“