„Leitlinien als Eckpfeiler der Kulturpolitik”

Ein Porträt von Dr. Michael Körner.
Dr. Michael Körner

„Die zukünftige Kulturpolitik in Mecklenburg-Vorpommern soll konzeptbasiert sein. Die geplanten Leitlinien wären das Gerüst des Konzeptes”, schreibt Dr. Michael Körner, Vorsitzender des Landeskulturrates, in seiner Halbzeitbilanz zum kulturpolitischen Leitlinienprozess. Ein Gastbeitrag. 

1. Ursprung. Der Leitlinienprozess als Ergebnis veränderter Kulturpolitik. Der Leitlinienprozess hat seinen Ursprung in einer neuen Ausrichtung der Kulturpolitik seit der letzten Legislaturperiode (2011-2016). 2012 berief der damalige Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Mathias Brodkorb, einen Landeskulturrat. Dieser richtete seitdem die jährlichen Landeskulturkonferenzen aus und wurde fortan in alle kulturpolitischen Entscheidungen beratend einbezogen.  In dieser Zeit entstanden - neben den bisher wichtigsten organisierten Kulturakteuren, den kulturellen Landesverbänden sowie den kommunalen KulturpolitikerInnen und Kulturverwaltungen des Landes und der Kommunen - weitere neue Gruppierungen: verschiedene regional oder landesweit agierende, selbstorganisierte Kulturnetzwerke und die Kreiskulturräte, die sich kulturpolitisch zu Wort meldeten.

Durch regelmäßige Kommunikationsprozesse in und zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen erreichte der kulturpolitische Austausch in der vergangenen Legislaturperiode eine neue Qualität. Viele relevante Themen wurden vor, während oder nach der Beschlussfassung ausgiebig erörtert. Das gewachsene Selbstbewusstsein der Kulturszene mündete in einen breiten Mitwirkungsprozess und erreicht eine neue, bisher noch nicht dagewesene Stufe der Beteiligung. Die Landeskulturkonferenzen wurden dabei zu einer wichtigen Kommunikationsplattform. Etwa 2015 wurde dort der Wunsch nach einer aktualisierten, grundsätzlichen kulturpolitischen Standortbestimmung, verbunden mit Rückblick und Ausblick, erkennbar: Ein breitangelegter, systematischer und transparenter Austauschprozess über zukünftige kulturpolitische Schwerpunkte und Kommunikationsformen wurde angeregt.

Der Landeskulturrat griff dies auf. Im Rahmen der folgenden Landeskulturkonferenzen der Jahre 2016 und 2017, also in der gegenwärtigen Legislaturperiode, nahm dieses Ansinnen konkrete Gestalt an und es wurde gemeinsam mit der damaligen Ministerin, Birgit Hesse, ein kulturpolitischer Prozess verabredet. Solche Standortbestimmungen gab es auch früher schon: In den neunziger Jahren beispielsweise eine Kulturkonzeption, Ausführungen zu einem Kulturstandort MV sowie einen Kulturwegweiser mit kulturpolitischen Reflexionen. Auch die beiden Kulturanalysen von 2004 und 2008 wären da zu nennen. Diese früheren Studien sind bis heute gut und nützlich zu lesen. Aber sie sind nicht das, was wir nun mit einem kulturpolitischen Prozess anstrebten. Es sollte jetzt auch über zukünftige, gemeinsame Ziele und konkrete Handlungsschritte geredet werden.

2. Anliegen. Der Beginn des Leitlinienprozesses. Erste Schritte der Durchführung. Relativ schnell bestand Konsens darüber, dass der kulturpolitische Prozess zu Leitlinien führen solle, in denen die Aufgaben zukünftiger Kulturpolitik formuliert sind. Doch wie sollte der Prozess durchgeführt werden?  Leitlinien sind Handlungsanweisungen mit empfehlendem Charakter. Um sie zu erhalten, hätte man eine ausgewählte Expertenkommission berufen und mit der Aufgabe betrauen können, solche für unser Land vorzulegen. Anschließend hätte man dieselben in gebotener Breite diskutieren können. Doch dieser Weg wurde nicht beschritten.

Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Landeskulturrates unter Federführung der Kulturabteilung des Ministeriums berufen, die einen strukturierten, organisierten, breitangelegten und transparenten Beteiligungsprozess einleitete. Dabei wurden zunächst die kulturellen Landesverbände sowie die kommunalen Kulturpolitiker und -verwaltungen konsultiert. Als diese dem Vorhaben sehr aufgeschlossen zustimmten und Beteiligungsbereitschaft signalisierten, wurden im ersten Quartal 2019 in den vier Planungsregionen des Landes je eine Konferenz durchgeführt.  An den Vorbereitungen beteiligten sich auch die Kreiskulturräte und die Ortskommunen.

An den Konferenzen mit je sieben vorstrukturierten Workshops nahmen insgesamt mehrere hundert Kulturschaffende teil.  Im Mittelpunkt dieser Konferenzen stand die Frage: Welches sind die wichtigen Themen der geplanten Leitlinien, welche Handlungsanweisungen sollen darin formuliert werden, damit die zukünftige Kulturpolitik gelingt oder mit anderen Worten: welche Schritte und welche kulturpolitischen Entscheidungen sind erforderlich, damit die Kulturlandschaft in MV sich gut weiter entwickeln kann. Auf den Regionalkonferenzen wurde in sehr zielorientierten Diskussionen eine Vielzahl von Anregungen und Bausteine für die zukünftige Kulturpolitik zusammengetragen, diskutiert und dokumentiert. Inzwischen liegt ein wertvolles, umfangreiches Dokument vor. Dieses ist nicht nur ein einzigartiges und bedeutendes Kompendium aktueller kulturpolitischer Themen, sondern in Hinblick auf die geplanten Leitlinien eine einzigartige Ideensammlung. Die vier Regionalkonferenzen wurden damit ein entscheidender und unverzichtbarer Schritt im Gesamtprozess. Sie legten die Grundlage auf dem Weg zu künftigen Leitlinien.

3. Inhalt. Die Formulierung der Leitlinien. Die zukünftige Kulturpolitik in Mecklenburg-Vorpommern soll konzeptbasiert sein. Die geplanten Leitlinien wären das Gerüst des Konzeptes. Etwa ein Dutzend Leitlinien sollen es werden. Sie sollen sich an alle Sparten gleichermaßen wenden und damit spartenübergreifend und nur in besonderen Fällen spartenbezogen sein. Den Leitlinien zugeordnet werden auch Handlungsempfehlungen.

Keinesfalls sollen es fünfzig oder achtzig Leitlinien werden, obwohl das vorhandene Material mühelos ausreichen würde für eine solche Anzahl. Aber in dieser Größe würden sie schnell unüberschaubar und damit beliebig.  Doch wie lässt sich die vorhandene Sammlung von Bausteinen, Themen und Anregungen auf eine überschaubare Anzahl von Leitlinien verdichten?

Gegenwärtig stehen alle bisher erarbeiteten Materialien allen Interessierten über das Kulturportal zur Verfügung. Es besteht die Möglichkeit von Stellungnahmen und Vorschlägen zur weiteren Gestaltung des Leitlinienprozesses.  Dann werden erneut die kulturellen Landesverbände und die kommunalen Kulturpolitiker und -verwaltungen einbezogen, um das vorliegende Material zu sichten und zu bewerten. Es ist davon auszugehen, dass sich in diesem Prozess bisherige Tendenzen weiter verstärken. Aber auch neue Schwerpunkte können sich herausbilden. 

Aber schließlich bleibt die Leitlinienausformulierung dann eine Aufgabe der Arbeitsgruppe und des Landeskulturrates. Es wird allerdings nicht einfach werden, die vielen Anregungen so zu verdichten, dass die Leitlinien gleichermaßen allgemeingültig und dennoch möglichst konkret sind. Aber ich bin doch zuversichtlich, dass diese Hürde genommen werden kann. Es ist sehr zu begrüßen, dass sich die neue Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Bettina Martin, gegenüber dem bisherigen Prozess nicht nur sehr aufgeschlossen gezeigt hat, sondern bereits wenige Tage nach Ihrer Amtseinführung eine direkte Mitwirkung bei allen weiteren Schritten signalisierte.  Alles deutet zum gegenwärtigen Zeitpunkt darauf hin, dass wir Anfang des kommenden Jahres ausformulierte Leitlinien haben werden. Diese werden sich an die Kulturszene insgesamt und an die Landesregierung insbesondere richten. Sie werden Empfehlungscharakter haben.  Aber selbst, wenn sie klar und deutlich formuliert sind, bleiben sie Empfehlungen mit der Erwartung, dass die Landesregierung sich möglichst viel davon zu eigen macht.  Aber eins zu eins wird das vielleicht nicht geschehen. Doch die Landesregierung ist damit aufgefordert, sich dauerhaft mit den Leitlinien zu befassen. Sie soll prüfen und sich damit positionieren, inwieweit diese Eckpfeiler einer zukünftigen, konzeptbasierten Kulturpolitik des Landes Mecklenburg-Vorpommern sein können.

Das Ergebnis der Befassung der Landesregierung wird dann Thema der nächsten Landeskulturkonferenz sein. Die Nachhaltigkeit des Leitlinienprozesses werden wir in zwei, drei Jahren spüren: Wenn wir ihn rückblickend als eine Weichenstellung erkennen zu mehr Verbindlichkeit, Sicherheit und Transparenz in der Kulturpolitik und damit zu verbesserten Rahmenbedingungen für die Kulturakteure des Landes. 

Hintergrund

Ihre Ideen, Stellungnahmen und Reaktionen sind gefragt. Machen Sie mit! Alle Infos finden Sie auf folgenden Seiten:

  • Überblick (wichtige Infos zusammengefasst)
  • Aktuelles und Termine (Zeitplan, Infoflyer etc.)
  • Dokumente (Präsentationen, Auswertungen etc.)
  • Reaktionen (Das sagen Träger, Kommunen etc.)

Schreiben Sie an: kulturleitlinien@remove-this.bm.mv-regierung.de

Extra

„Kulturpolitik braucht Beteiligung”

Halbzeit im Leitlinienprozess. Im Interview mit dem Kulturportal zieht Kulturministerin Bettina Martin eine positive Zwischenbilanz. Den groß angelegten Beteiligungsprozess möchte sie weiterführen. „Ohne Kulturschaffende, Landesverbände und die kommunale Ebene kann man keine kulturpolitischen Leitlinien verabschieden.” Das Interview - hier