Kunstverein für Mecklenburg und Vorpommern in Schwerin
Der Kunstverein Schwerin bietet ein Forum für zeitgenössische bildende Kunst regional sowie international agierender Künstler/innen.
30.08.2025 - 11.01.2026
Erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin Cora Pongracz in Deutschland
DE
Am 29. August 2025 eröffnet der Kunstverein in Schwerin die Ausstellung „8 erweiterte portraits“, die das Werk der österreichischen Fotografin Cora Pongracz (1943-2003) in den Mittelpunkt stellt und einen Dialog über weibliche Identität und Gleichstellung eröffnet.
Cora Pongracz wurde 1943 in Buenos Aires geboren. Aufgrund der jüdischen Herkunft ihrer Mutter musste die ursprünglich aus Wien stammende Familie Pongracz ins Exil nach Argentinien fliehen und k...
DE
Am 29. August 2025 eröffnet der Kunstverein in Schwerin die Ausstellung „8 erweiterte portraits“, die das Werk der österreichischen Fotografin Cora Pongracz (1943-2003) in den Mittelpunkt stellt und einen Dialog über weibliche Identität und Gleichstellung eröffnet.
Cora Pongracz wurde 1943 in Buenos Aires geboren. Aufgrund der jüdischen Herkunft ihrer Mutter musste die ursprünglich aus Wien stammende Familie Pongracz ins Exil nach Argentinien fliehen und konnte erst Ende der 1940er-Jahre nach Europa zurückkehren – zunächst nach England, dann nach Österreich und später nach Deutschland. Dort erhielt Cora Pongracz auch ihre fotografische Ausbildung. In der Nähe von Frankfurt am Main besuchte sie die private Fotoschule von Marta Hoepffner (1962–1963), anschließend studierte sie an der Bayerischen Staatslehranstalt für Photographie in München (1963–1964). Ihre Studienzeit fiel damit in die gesellschaftlichen Umbrüche der 1960er-Jahre. Diese erlebte sie zunächst in München und später in London, wo sie mit verschiedenen (Jugend-)Bewegungen in Kontakt kam, die als Nachkriegsgeneration gegen die etablierten Autoritäten und Wertesysteme aufbegehrten. Dazu zählte auch die Antipsychiatrie-Bewegung. 1968 kehrte Cora Pongracz schließlich nach Wien zurück, wo sie – verheiratet mit dem Dichter und Essayisten Reinhard Priessnitz – in der dortigen Kunstszene, insbesondere der Wiener Avantgarde, Anschluss fand.
Abseits ihrer dokumentarischen Aufträge steht Cora Pongracz‘ eigene fotografische Praxis für eine medium-spezifische Loslösung von festgelegten Deutungs- und Abbildungsmustern. Diese Haltung ist als Reaktion auf die gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit zu verstehen. Die (Nachkriegs-)Generation von Pongracz wurde in einem Schul- und Ausbildungssystem erzogen, in dem die Lenkung der Jugend durch Autoritäten selbstverständlich war – und es war genau diese Generation, die in den späten 1960er Jahren gegen diese Autoritäten und deren Wertesysteme aufbegehrte.
Ein häufiges Merkmal ihrer Aufnahmen ist eine Vorliebe für transitorische Momente. Anstatt markante Posen ins Bild zu bannen, bevorzugte Pongracz Augenblicke des Übergangs. Pongracz entwickelte auf diese Weise eine fotografische Formsprache, die genderpolitische Fragestellungen sowie später auch – beeinflusst durch ihre eigene mentale Gesundheit – Diskurse der Inklusion aufgriff und übersetzte. Ihr Vorgehen lässt sich als ein medienreflexives Experiment beschreiben, in dem die Bedingungen des fotografischen Darstellens und der begrifflichen Vermittlung auf ihre Grenzen und Anwendbarkeit hin überprüft werden. All ihren Arbeiten liegt ein Grundzweifel an der institutionellen Autorität zugrunde, dass eine Person „eindeutig“ repräsentiert werden kann – sei es institutionell oder fotografisch.
Für die Ausstellung in Schwerin wird eine der bedeutendsten Werkgruppen, die „8 erweiterte portraits“ (1974), erstmals in ihrer Gesamtheit präsentiert. Die konzeptionelle Serie kombiniert innerhalb von acht Porträts jeweils zwei Aufnahmen der ausgewählten Frauen mit fünf assoziierten Motiven. Diese wurden von den Porträtierten selbst vorgegeben, indem sie der Fotografin ihre Lieblingsorte, Lebenspartner, Kinder oder Gegenstände und Unternehmungen von individueller Bedeutung nannten. Die assoziativen Erweiterungen entsprangen also den porträtierten Personen selbst, gleichwohl gefiltert durch Blick und Apparat der Fotografin. Die acht repräsentierten Frauen werden dabei nicht namentlich genannt. Als in der damaligen Wiener Kunstszene bekannte Personen sind sie aber leicht identifizierbar (zum Beispiel Trude Ernst-Rindt, Lore Kuntner, Mira Csarmann oder Christiane Dertnig).
Um Pongracz Vorgehen innerhalb heutiger gesellschaftlicher Diskurse zu reflektieren, wird eine Reihe von zeitgenössischen Künstler:innen eingeladen, durch eigene fotografische Praktiken sowie durch Texte, Performances und andere Formen kritischer Interventionen auf Pongracz’ Werk zu reagieren und es in Beziehung zu setzen. Dazu gehören Künstler:innen wie Seiichi Furuya, Marietta Mavrokordatou, Paul Niedermayer und weitere.
EN
On August 29, 2025, the Kunstverein in Schwerin will open the exhibition ”8 erweiterte portraits,” which focuses on the work of Austrian photographer Cora Pongracz (1943–2003) and, through the medium of photography, will open up a dialogue on identity and contemporary politics of representation.
Cora Pongracz was born in Buenos Aires in 1943. Due to her mother’s Jewish ancestry, the Pongracz family, originally from Vienna, had been forced to flee to Argentina. The family remained in exile, unable to return to Europe until the end of the 1940s, at which point they went first to England, then to Austria, and later to Germany. It was there that Pongracz received her education in photography. In the vicinity of Frankfurt am Main she attended Marta Hoepffner’s photography school from 1962-63, after which she studied at the Bavarian State Institute of Photography in Munich from 1963-64. Her student years thus coincided with the social upheaval of the 1960s. She lived through this period initially in Munich and later in London, where she came into contact with various (youth) movements, including the anti-psychiatry movement, who, as part of the post-war generation, rebelled against the established authorities and values systems. In 1968 Pongracz eventually moved back to Vienna where she, now married to poet and essayist Reinhard Priessnitz, became involved with the local art scene, in particular the Viennese avant-garde.
Beyond her documentary commissions, Cora Pongracz’s photographic practice stands for a medium-specific emancipation from fixed patterns of interpretation and representation—a stance best understood as a response to the social upheavals of her time. The post-war generation to which Pongracz belonged was shaped by an educational system where the control of youth by authority figures was taken for granted. It was precisely this generation that rose up in the late 1960s against those authorities and their value systems. Pongracz experienced this upheaval in Munich and London, where she came into contact with various rebellious (youth) movements. Although not actively involved herself, testimonies from contemporaries show how profoundly these years influenced her.
A common feature of her work is a preference for transitional moments. Rather than capturing striking poses, Pongracz favored moments of transition and movement. Through this, she developed a photographic language that engaged with gender-political issues and, later—shaped by her own struggles with mental health—with discourses of inclusion. Her approach can be seen as a media-reflexive experiment that probes the limits and usefulness of photographic representation and conceptual mediation. Underpinning all her work is a fundamental skepticism toward institutional authority‘s ability to represent a person ”unambiguously“—whether institutionally or photographically.
For the exhibition in Schwerin, one of Pongracz’s most important bodies of work—”8 erweiterte portraits“ [8 extended portraits] (1974)—will be presented in its entirety for the first time. This conceptual series combines, within eight portraits, two images of each selected woman with five associated motifs. These were chosen by the portrayed individuals themselves by naming favorite places, partners, children, or personally meaningful objects and activities. While these associative additions stem from the subjects themselves, they are filtered through the gaze and apparatus of the photographer. The eight women are not named but are recognizable figures from Vienna’s art scene at the time (e.g., Trude Ernst- Rindt, Lore Kuntner, Mira Csarmann, or Christiane Dertnig).
To reflect on Pongracz’s approach within today’s societal discourses, a curated selection of contemporary artists will be invited to respond to her work through their own photographic practices, as well as through texts, performances, and other forms of critical intervention. This includes artists such as Seiichi Furuya, Marietta Mavrokordatou, Paul Niedermayer, and others.
Kuratiert von / Curated by:
Hendrike Nagel
Asisstenzkuratorin / Assistant Curator:
Luisa Kleemann
Eröffnung / Opening: 29.08.2025, 19:00
mit / with Dinner*, 20:30
Begrüßung / Welcome: Vorstand / Board
Einführung / Introduction: Hendrike Nagel (Direktorin / Director)
*Bitte melden Sie sich möglichst bis eine Woche vor der Eröffnung per E-Mail oder telefonisch an. / Please rsvp by email or phone, preferably at least one week prior to the event.
Im Dialog mit / In dialogue with:
Seiichi Furuya
21.09.2025 – 26.10.2025
Eröffnung / Opening: 20.09.2025, 18:00
Marietta Mavrokordatou
02.11.2025 – 30.11.2025
Eröffnung / Opening: 01.11.2025, 18:00
Paul Niedermayer
07.12.2025 – 11.01.2026
Eröffnung / Opening: 06.12.2025, 18:00
Weitere Termine werden in den kommenden Wochen bekannt gegeben. / Further dates will be announced in the coming weeks.
Der Kunstverein Schwerin bietet ein Forum für zeitgenössische bildende Kunst regional sowie international agierender Künstler/innen.
Künstlerische & Kaufmännische Leitung (Kunstverein in Schwerin)
Frau Hendrike Nagel