Mehr Kultur, bitte!

Sechs Frauen und Männer sitzen in einem Podium.
Podiumsdiskussion in Ludwigslust: "Wir brauchen mehr Kultur."

Es ist ein Sonntagmorgen, an dem Grabows Bürgermeister Stefan Sternberg erlebt, wie stark der kulturelle Rhythmus das Leben in seiner Stadt bestimmt. Es ist 11 Uhr, als die Grabower Blasmusik aufspielt. Begleitet von Märschen, Polkas und dem Grabower Lied weihen hunderte Grabower ihren neuen Hochzeitspavillon im Schützenpark ein. Eines von mehreren Beispielen, die bei der Kreiskulturkonferenz Ludwigslust-Parchim am vergangenen Sonnabend zeigten, wie Kultur im ländlichen Raum funktionieren kann. Initiiert vom Kunst- und Kulturrat des Landkreises diskutierten zahlreiche Akteure aus Kultur, Politik und Wissenschaft über Entwicklungspotenziale der Kultur- und Bildungspolitik.

„Ich hatte mit vielleicht hundert Leuten gerechnet“, erzählt Stefan Sternberg. „Dass mehr gekommen sind, zeigt mir, wie sehr sich die Menschen wieder mit ihrer Heimat identifizieren.“ Sein Ziel sei es, Grabow als lebenswerten Kulturraum weiterzuentwickeln.

Kulturelle Bildung mit Herz, Kopf und Hand

Bei der Podiumsdiskuddion trafen Meinungen, Lebensläufe und Positionen aufeinander und zeigten, wie vielfältig Kultur verstanden und gelebt wird. Der Grundtenor: Kultur ist der Klebstoff, der eine Gesellschaft zusammenhält. „Kultur gibt Selbstbewusstsein und schafft Identität. Und eine Gesellschaft braucht starke Subjekte für ihren Fortbestand“, so Prof. Max Fuchs, Mitglied der Kulturpolitischen Gesellschaft. Deshalb sei kulturelle Bildung so wichtig. „Hier lernen Kinder, in den Austausch zu treten – als soziales Selbst mit sich und anderen“, so Kerstin Hübner, Leiterin von Kultur macht Schule und Bildungsreferentin der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. Kinder würden durch kulturelle Bildung darauf vorbereitet werden, mit der Gesellschaft umzugehen, ihre eigene Position zu finden und zu artikulieren. „Dazu braucht es Herz, Kopf und Hand.“

Schulen als wichtigster Player

Die Crux: Immer weniger Familien vermitteln ihren Kindern Zugang zur Kultur. Diesen Part übernehmen verstärkt Großeltern und Einrichtungen wie Kitas und Schulen. Im Kunstunterricht erhalten Kinder ein Grundgerüst, um Kultur einordnen zu können, wie Tobias Thuge vom Fachverband für Kunstpädagogik e.V. sagt. „Schulen sind aufgrund der Schulpflicht der wichtigste Player, um kulturelle Bildung zu vermitteln“, erklärt Dr. Margret Schweizer vom Landeskulturrat MV und der Bildungsinitiative der Kulturstiftung der Länder „Kinder zum Olymp!“. „Aber viele Schulen sind am Limit, weil sie auch noch erziehen sollen.“ Ein Schlüssel liege dabei in den Kooperationen zwischen Schulen und Kultureinrichtungen. Auch Musik- und Kunstschulen seien wichtige Partner, fügt Kerstin Hübner an.

Verändert sich der Kulturkonsum?

Und Arne Papenhagen vom Netzwerk Kulturelle Bildung MV ist überzeugt: „Junge Leute machen Kultur, stellen ganze Festivals wie die ,Fusion’ auf die Beine.“ Und sind auch bei Familienveranstaltungen wie der Einweihung des Grabower Pavillons anzutreffen. Auch der Nachbau, der übrigens seinem Vorgänger aus dem Jahr 1859 nach empfunden wurde, zeigt die Rolle der Kultur in der Gemeinde. In Eigeninitiative gaben mehrere Unternehmen der Stadt Grabow wieder ein Stück Geschichte zurück. Laut Bürgermeister Sternberg hätte die Stadt so bis zu 90.000 Euro an Kosten gespart. „Eine prima Sache“, freut sich das Stadtoberhaupt.