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Gritt Borowski blättert in einem Buch
Wenn Gritt Brosowski in den Beständen des Hauses blättert, dann nicht, um darin zu schmökern. Bibliothekarin einer Landesbibliothek zu sein, bedeutet vordergründig, Medien zu sammeln, zu bewahren und für die Nachwelt zu erschließen. Dazu gehört zum Beispiel, die Landesbibliografie mit Infos zu füttern und Bestände zu digitalisieren. Denn: „Nur ein erschlossener Bestand ist für Nutzerinnen und Nutzer ein zugänglicher Bestand.“

Ein Blick ins Gedächtnis des Landes

Eine Hand hält eine Art Spule. Dahinter befindet sich ein geöffneter Schrank, in dem die Spule zusammen mit anderen aufbewahrt wird.
Alte Zeitungen werden auf Mikrofilmen archiviert. Auf einer Rolle haben ungefähr die Ausgaben eines halben Jahres Platz.
In einer grauen Wandhalterung stehen einzelne Bücher. Darunter Titel wie „Drei Sommer“, „Nachts im Kanzleramt“, „Nerven und Krieg“ und „Das Geheimnis des Tutanchamun“.
Gibt es auch Unterhaltungsliteratur? „Ja, in begrenztem Maße. Meistens sind es Bücher, die im Feuilleton besprochen werden“, sagt Mitarbeiterin Katharina Weil. Die Wand mit den Neuerscheinungen steht gleich am Eingang.
Eine Bibliotheksmitarbeiterin hält eine Cister in ihrer Hand. Das Instrument besteht aus Holz. Der Korpus erinnert an eine Birne und ist links, rechts und in der Mitte mit goldfarbenen Schmuckelementen verziert. Die abgebildete Cister hat fünf Doppelsaiten und zehn Stimmwirbel.
In der Landesbibliothek gibt es auch Instrumente wie diese 200 Jahre alte Cister. Sie gelangten zusammen mit den Noten des herzoglichen Orchesters hierher und sind heute Teil der großen Musikaliensammlung. Sie ausleihen oder auf ihnen spielen kann man jedoch nicht.

Manche sind klein wie eine Erbse. Andere in edles Leder gebunden. Oder aus einer Zeit, in der an Buchdruck noch lange nicht zu denken war. Die Landesbibliothek MV ist eine wahre Schatzkammer! Wer sie besucht, kann tief in die Geschichte des Landes tauchen. Sich durch unzählige Fachgebiete der Gegenwart blättern. Und weit mehr als nur „historische Schinken“ entdecken. 

Das Reich der Bücher liegt dort, wo es normalerweise keine Besucherin und kein Besucher sieht. Gritt Brosowski geht vorweg. Vorbei an der Ausleihtheke, den Schreibtischen der Kolleginnen und Kollegen. Eine schwere Tür fällt ins Schloss. Dann steht die Bibliothekarin und Regionalreferentin mitten im Gedächtnis des Landes: dem Magazin. 

Links und rechts Metallkolosse bis unter die Decke. Gritt Brosowski dreht an einem der Regalgriffe. Fast lautlos bewegen sich zwei Reihen auseinander. Geben den Blick frei auf alte Bücher mit goldumrandeten Deckeln und Leichenpredigten. Es hätten auch Kantaten sein können. Spätmittelalterliche Handschriften. Zeitungen. Landkarten. Oder Theaterzettel längst vergangener Spielzeiten. All das und noch viel mehr lagert hier. Alles in allem um die 800.000 Medien aus neun Jahrhunderten. 

Was den Weg in die Bibliothek findet? Alles, was in Mecklenburg-Vorpommern verlegt wird. Zeitungen und Zeitschriften, zum Beispiel. Bücher. Kalender. Noten. CDs. DVDs. Kirchenbriefe. Auch der Katalog vom Filmkunstfest. Der Landesbibliothek jeweils ein Exemplar dieser Medien zu überlassen, ist Pflicht. Für Verlage. Ab einer Auflage von 25 auch für Privatpersonen. Als Regionalbibliothek sammelt sie außerdem Literatur über MV. Und dann ist da noch die wissenschaftliche Ausrichtung mit Fachbüchern und Zeitschriften ohne regionalen Bezug, aber zu jedem Wissenschaftsgebiet der Welt. 

Und was ist das kurioseste Exemplar im Bestand? Für die einen aus dem Bibliotheksteam ist es ein erbsengroßes Buch, für andere eines aus Palmblättern. Oder das eines italienischen Architekten, mit einem Griff am Buchrücken. 

Wer in der Landesbibliothek angemeldet ist, kann zwar nicht immer alles für den Zuhause-Gebrauch ausleihen, vor Ort aber nahezu im gesamten Bestand stöbern. Einer der größten Schätze des Hauses bleibt Nutzerinnen und Nutzern aber auch hier verborgen: das Fragment des Rolandsliedes. Die mittelhochdeutsche Adaption des altfranzösischen „Chanson de Roland“ durch den Pfaffen Konrad stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist das älteste Exemplar in der Bibliothek. Die auf Pergament geschriebenen Teile des Versepos liegen gut geschützt im Safe. Damit sie auch weiterhin nicht mit der Zeit im Gedächtnis des Landes verblassen. 

Ein langgestrickter Glasanbau mit breiter Fensterfront und der Eingangstür zur Landesbibliothek.
Seit 2004 hat die Landesbibliothek ihren Sitz in der Johannes-Stelling-Straße. 2015 erhielt sie den Namenszusatz Günther Uecker. „Was viele nicht wissen: Günther Uecker hat sich auch als Buchgestalter einen Namen gemacht“, sagt Mitarbeiterin Katharina Weil.
Eine Hand hält ein geöffnetes Buch. Es ist etwas kleiner als eine Streichholzschachtel. Jede Seite enthält zwei Spalten Text. Im Hintergrund liegt eine silberne Metalldose mit einer lupenartigen Einfassung. In der Dose wird das Buch aufbewahrt.
Dieses Konversationslexikon von 1896 enthält 175.000 Wörter und war einmal das kleinste Buch der Welt.
Ein klitzekleines Buch. Sein dunkler Einband ist auf der Titelseite silbernen umrandet. In der Mitte befindet sich ein silbernes Kirchenkreuz.
Inzwischen geht es noch kleiner: Dieses geistliche Buch ist ungefähr so groß wie eine Erbse.
Auf einem breiten, hüfthohen Brett werden die Räume der Bibliothek abgebildet. Es enthält Informationen in Form von Piktogrammen, Blindenschrift und großen, weißen Knöpfen mit Zahlen.
Ein taktiles Leitsystem erleichtert Menschen mit Handicaps den Zugang zur Bibliothek.
Ein Klavier in Nahaufnahme mit Blick auf die Tasten und das Klavierpult mit vielen Knöpfen, zum Beispiel zum Navigieren und Pausieren.
Ein Klavier in einer Bibliothek? Mit Kopfhörern kein Problem! Diese gibt’s an der Information.
Links stehen mehrere Regale mit Büchern. Rechts Tische mit Stühlen und Computern, an denen die Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer arbeiten können.
Der Freihandbereich umfasst rund 30.000 Medien. Hier können sich Besucher/innen aufhalten, lesen, das Internet nutzen – kurzum: Zeit verbringen. Mitarbeiterin Katharina Weil verweist dabei auf das Konzept vom sogenannten „Dritten Ort“: einem leicht zugänglichen Sozialraum abseits von Zuhause und Arbeitsplatz.
An Backsteinen steht in goldenen Buchstaben der Schriftzug „Landesbibliothek“.
Von 1886 bis 2004 saß die Bibliothek im Kreuzgang des Schweriner Doms. Der Schriftzug an der Fassade erinnert noch heute daran.
Das Buch „Geografie der Antarktis“ liegt geöffnet auf dem Scanner. Die zu scannende Seite wird auf dem dazugehörigen Monitor angezeigt.
Historische Bestände, moderne Technik: An diesem Scanner können Bibliotheksnutzer/innen Buchseiten scannen und auf einen Stick ziehen.
Der Raum ragt schätzungsweise mehr als 50 Meter in die Tiefe. Links und rechts stehen unzählige Rollregale. Manche sind geschlossen, andere geöffnet.
Ein Blick ins Magazin: Die Medien, die hier aufbewahrt werden, sind für Nutzerinnen und Nutzer zwar nicht frei zugänglich, können aber je nach Exemplar zur Ansicht oder Ausleihe bestellt werden. „Sie herauszusuchen, dauert ungefähr eine halbe Stunde“, sagt Katharina Weil.
Ein Stapel loser, antiker Buchblätter. Die Ränder sind braun verfärbt und an manchen Stellen leicht gewellt.
Bücher – das waren früher oft lose Blattsammlungen. Sie binden zu lassen, oblag ihrem Besitzer. Leder oder einfaches Papier? Am Einband konnte man ablesen, wie betucht er war. „So kann es vorkommen, dass gleiche Bücher unterschiedliche Einbände haben“, erklärt Gritt Brosowski.
Ein aufgeschlagenes Buch. Auf den Seiten steht, wo sich die Landesbibliothek befindet, wann sie geöffnet hat, dass sie ab einem Alter von 16 Jahren genutzt werden kann, der Bibliotheksbestand 805.000 Medien umfasst und viele Bücher ausgeliehen werden können.

Wie alte Bücher bewahrt werden

Die Landesbibliothek besitzt heute noch rund 4.000 Bücher aus der Sammlung von Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin. Vielen von ihnen hat der Lauf der Zeit stark zugesetzt. Wie die Bibliothek sie vor dem weiteren Verfall bewahrt und damit auch für kommende Generationen sichert? Das Video gibt einen Einblick.

Was ist los in MV?!

Ganztägig, Boddenfolk e.V. in Groß Kiesow OT Krebsow

10:00 - 23:59 Uhr, Strandbad Eldena, Greifswald

11:00 - 18:00 Uhr, Nikolaikirche zu Rostock

Mit 16.000 Titeln fing alles an

Eine colorierte Zeichnung mit acht alten Büchern, die unterschiedlich dick sind und mit dem Buchrücken nach vorn nebeneinander stehen.

Die Landesbibliothek ist schon mehr als 240 Jahre alt: 1779 gründete Friedrich der Fromme in Schwerin die herzogliche Regierungsbibliothek. Ihre Aufgabe: die herzogliche Landesregierung bei ihren Aufgaben zu unterstützen und mecklenburgisches Schrifttum zu sammeln.

Den Grundstock bildete die Büchersammlung des Barons von Ditmar: verwaltungs- und rechtskundliche Literatur in 16.000 Bänden. 1855 wird der Archäologe und Historiker Friedrich Lisch Regierungsbibliothekar. Ein Glücksfall für die Einrichtung, denn: Er beginnt, den Bestand gezielt zu ordnen und inhaltlich zu erschließen. Ein zweiter wichtiger Name in der Bibliotheksgeschichte ist Carl Schröder. Er wird 1885 Bibliotheksdirektor, kauft zielgerichtet wissenschaftliche Literatur an und katalogisiert sie sachgerecht.

1924 wird die Bibliothek in „Mecklenburgische Landesbibliothek“ umbenannt und der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ihre ursprüngliche, regierungsunterstützende Aufgabe erfüllt sie aber auch heute noch, z.B. über zwei Außenstandorte im Innen- und Justizministerium. Mehr zur Geschichte der Landesbibliothek...

Kleine Unterschiede

Blick durch ein Bücherregel in der Landesbibliothek. Im Fokus stehen die Titel „Die Kunst der Gegenwart“ und „Vatikanische Museen“.

Was unterscheidet die Landesbibliothek von einer Stadtbibliothek? Die Unterschiede zeigen sich vor allem in der inhaltlichen Ausrichtung des Bestands. „Neben der landeskundlichen Literatur bieten wir ein breites Spektrum an aktuellen fachwissenschaftlichen Publikationen“, sagt Katharina Weil.

„In unserem belletristischen Bestand kann man viele Buchperlen abseits von Bestsellerlisten und Mainstream-Pfaden entdecken. Wir haben zum Beispiel viele Lyrikbände.“ Computerspiele, DVDs oder Kinderbücher gelangen in den Bestand, wenn sie in MV verlegt wurden oder einen regionalen Bezug haben.

Ein weiterer Unterschied ist die Trägerschaft: „Im Gegensatz zu einer Stadtbibliothek als freiwilliger kommunaler Leistung sind wir eine Landeseinrichtung.“ Und: Die Landesbibliothek kann gänzlich kostenlos genutzt werden, ist aber nicht Teil der Onleihe. 

Ein Buch als „Patenkind“

Eine linke, aufgeschlagene Buchseite. Ihr Text ist in historischer Schrift verfasst.

Die Landesbibliothek – das sind heute rund 805.000 Medieneinheiten. Etwa 136.000 von ihnen stammen aus der Zeit zwischen 1501 und 1850. An einigen von ihnen hat der Zahn der Zeit deutliche Spuren hinterlassen. Schäden, die nur durch eine Restaurierung behoben oder aufgehalten werden können. Wer möchte, kann die Bibliothek als Buchpate oder Buchpatin dabei unterstützen und wird im Gegenzug als Pate oder Patin des Titels vermerkt. Mehr Infos – hier...

Veranstaltungstipp

Links stehen auf Augenhöhe mehrere Vitrinen, rechts auf Hüfthöhe Schaukästen. An der rechten Wand hängen Bilder und Informationstafeln. Sie bieten Platz für Ausstellungen.

Die Landesbibliothek gibt auch Ausstellungen und Lesungen einen Raum. Aktuell treten Günther Uecker und Gestalter Rolf Schroeter „in contact“ miteinander. Ein Besuch der Ausstellung ist bis zum 16. Juni 2023 während der Öffnungszeiten der Bibliothek möglich. Und am 30. März liest Autor und Historiker Michael Herms ab 19 Uhr aus seinem Roman „Anna's Kriegsanleihe. Eine Spurensuche in Mecklenburg“.