Gritt Borowski blättert in einem Buch
Wenn Gritt Brosowski in den Beständen des Hauses blättert, dann nicht, um darin zu schmökern. Bibliothekarin einer Landesbibliothek zu sein, bedeutet vordergründig, Medien zu sammeln, zu bewahren und für die Nachwelt zu erschließen. Dazu gehört zum Beispiel, die Landesbibliografie mit Infos zu füttern und Bestände zu digitalisieren. Denn: „Nur ein erschlossener Bestand ist für Nutzerinnen und Nutzer ein zugänglicher Bestand.“
27.03.2023

Ein Blick ins Gedächtnis des Landes

Eine Hand hält eine Art Spule. Dahinter befindet sich ein geöffneter Schrank, in dem die Spule zusammen mit anderen aufbewahrt wird.
Alte Zeitungen werden auf Mikrofilmen archiviert. Auf einer Rolle haben ungefähr die Ausgaben eines halben Jahres Platz.
In einer grauen Wandhalterung stehen einzelne Bücher. Darunter Titel wie „Drei Sommer“, „Nachts im Kanzleramt“, „Nerven und Krieg“ und „Das Geheimnis des Tutanchamun“.
Gibt es auch Unterhaltungsliteratur? „Ja, in begrenztem Maße. Meistens sind es Bücher, die im Feuilleton besprochen werden“, sagt Mitarbeiterin Katharina Weil. Die Wand mit den Neuerscheinungen steht gleich am Eingang.
Eine Bibliotheksmitarbeiterin hält eine Cister in ihrer Hand. Das Instrument besteht aus Holz. Der Korpus erinnert an eine Birne und ist links, rechts und in der Mitte mit goldfarbenen Schmuckelementen verziert. Die abgebildete Cister hat fünf Doppelsaiten und zehn Stimmwirbel.
In der Landesbibliothek gibt es auch Instrumente wie diese 200 Jahre alte Cister. Sie gelangten zusammen mit den Noten des herzoglichen Orchesters hierher und sind heute Teil der großen Musikaliensammlung. Sie ausleihen oder auf ihnen spielen kann man jedoch nicht.

Manche sind klein wie eine Erbse. Andere in edles Leder gebunden. Oder aus einer Zeit, in der an Buchdruck noch lange nicht zu denken war. Die Landesbibliothek MV ist eine wahre Schatzkammer! Wer sie besucht, kann tief in die Geschichte des Landes tauchen. Sich durch unzählige Fachgebiete der Gegenwart blättern. Und weit mehr als nur „historische Schinken“ entdecken. 

Das Reich der Bücher liegt dort, wo es normalerweise keine Besucherin und kein Besucher sieht. Gritt Brosowski geht vorweg. Vorbei an der Ausleihtheke, den Schreibtischen der Kolleginnen und Kollegen. Eine schwere Tür fällt ins Schloss. Dann steht die Bibliothekarin und Regionalreferentin mitten im Gedächtnis des Landes: dem Magazin. 

Links und rechts Metallkolosse bis unter die Decke. Gritt Brosowski dreht an einem der Regalgriffe. Fast lautlos bewegen sich zwei Reihen auseinander. Geben den Blick frei auf alte Bücher mit goldumrandeten Deckeln und Leichenpredigten. Es hätten auch Kantaten sein können. Spätmittelalterliche Handschriften. Zeitungen. Landkarten. Oder Theaterzettel längst vergangener Spielzeiten. All das und noch viel mehr lagert hier. Alles in allem um die 800.000 Medien aus neun Jahrhunderten. 

Was den Weg in die Bibliothek findet? Alles, was in Mecklenburg-Vorpommern verlegt wird. Zeitungen und Zeitschriften, zum Beispiel. Bücher. Kalender. Noten. CDs. DVDs. Kirchenbriefe. Auch der Katalog vom Filmkunstfest. Der Landesbibliothek jeweils ein Exemplar dieser Medien zu überlassen, ist Pflicht. Für Verlage. Ab einer Auflage von 25 auch für Privatpersonen. Als Regionalbibliothek sammelt sie außerdem Literatur über MV. Und dann ist da noch die wissenschaftliche Ausrichtung mit Fachbüchern und Zeitschriften ohne regionalen Bezug, aber zu jedem Wissenschaftsgebiet der Welt. 

Und was ist das kurioseste Exemplar im Bestand? Für die einen aus dem Bibliotheksteam ist es ein erbsengroßes Buch, für andere eines aus Palmblättern. Oder das eines italienischen Architekten, mit einem Griff am Buchrücken. 

Wer in der Landesbibliothek angemeldet ist, kann zwar nicht immer alles für den Zuhause-Gebrauch ausleihen, vor Ort aber nahezu im gesamten Bestand stöbern. Einer der größten Schätze des Hauses bleibt Nutzerinnen und Nutzern aber auch hier verborgen: das Fragment des Rolandsliedes. Die mittelhochdeutsche Adaption des altfranzösischen „Chanson de Roland“ durch den Pfaffen Konrad stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist das älteste Exemplar in der Bibliothek. Die auf Pergament geschriebenen Teile des Versepos liegen gut geschützt im Safe. Damit sie auch weiterhin nicht mit der Zeit im Gedächtnis des Landes verblassen. 

Ein langgestrickter Glasanbau mit breiter Fensterfront und der Eingangstür zur Landesbibliothek.
Seit 2004 hat die Landesbibliothek ihren Sitz in der Johannes-Stelling-Straße. 2015 erhielt sie den Namenszusatz Günther Uecker. „Was viele nicht wissen: Günther Uecker hat sich auch als Buchgestalter einen Namen gemacht“, sagt Mitarbeiterin Katharina Weil.
Eine Hand hält ein geöffnetes Buch. Es ist etwas kleiner als eine Streichholzschachtel. Jede Seite enthält zwei Spalten Text. Im Hintergrund liegt eine silberne Metalldose mit einer lupenartigen Einfassung. In der Dose wird das Buch aufbewahrt.
Dieses Konversationslexikon von 1896 enthält 175.000 Wörter und war einmal das kleinste Buch der Welt.
Ein klitzekleines Buch. Sein dunkler Einband ist auf der Titelseite silbernen umrandet. In der Mitte befindet sich ein silbernes Kirchenkreuz.
Inzwischen geht es noch kleiner: Dieses geistliche Buch ist ungefähr so groß wie eine Erbse.
Auf einem breiten, hüfthohen Brett werden die Räume der Bibliothek abgebildet. Es enthält Informationen in Form von Piktogrammen, Blindenschrift und großen, weißen Knöpfen mit Zahlen.
Ein taktiles Leitsystem erleichtert Menschen mit Handicaps den Zugang zur Bibliothek.
Ein Klavier in Nahaufnahme mit Blick auf die Tasten und das Klavierpult mit vielen Knöpfen, zum Beispiel zum Navigieren und Pausieren.
Ein Klavier in einer Bibliothek? Mit Kopfhörern kein Problem! Diese gibt’s an der Information.
Links stehen mehrere Regale mit Büchern. Rechts Tische mit Stühlen und Computern, an denen die Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer arbeiten können.
Der Freihandbereich umfasst rund 30.000 Medien. Hier können sich Besucher/innen aufhalten, lesen, das Internet nutzen – kurzum: Zeit verbringen. Mitarbeiterin Katharina Weil verweist dabei auf das Konzept vom sogenannten „Dritten Ort“: einem leicht zugänglichen Sozialraum abseits von Zuhause und Arbeitsplatz.
An Backsteinen steht in goldenen Buchstaben der Schriftzug „Landesbibliothek“.
Von 1886 bis 2004 saß die Bibliothek im Kreuzgang des Schweriner Doms. Der Schriftzug an der Fassade erinnert noch heute daran.
Das Buch „Geografie der Antarktis“ liegt geöffnet auf dem Scanner. Die zu scannende Seite wird auf dem dazugehörigen Monitor angezeigt.
Historische Bestände, moderne Technik: An diesem Scanner können Bibliotheksnutzer/innen Buchseiten scannen und auf einen Stick ziehen.
Der Raum ragt schätzungsweise mehr als 50 Meter in die Tiefe. Links und rechts stehen unzählige Rollregale. Manche sind geschlossen, andere geöffnet.
Ein Blick ins Magazin: Die Medien, die hier aufbewahrt werden, sind für Nutzerinnen und Nutzer zwar nicht frei zugänglich, können aber je nach Exemplar zur Ansicht oder Ausleihe bestellt werden. „Sie herauszusuchen, dauert ungefähr eine halbe Stunde“, sagt Katharina Weil.
Ein Stapel loser, antiker Buchblätter. Die Ränder sind braun verfärbt und an manchen Stellen leicht gewellt.
Bücher – das waren früher oft lose Blattsammlungen. Sie binden zu lassen, oblag ihrem Besitzer. Leder oder einfaches Papier? Am Einband konnte man ablesen, wie betucht er war. „So kann es vorkommen, dass gleiche Bücher unterschiedliche Einbände haben“, erklärt Gritt Brosowski.
Ein aufgeschlagenes Buch. Auf den Seiten steht, wo sich die Landesbibliothek befindet, wann sie geöffnet hat, dass sie ab einem Alter von 16 Jahren genutzt werden kann, der Bibliotheksbestand 805.000 Medien umfasst und viele Bücher ausgeliehen werden können.

Wie alte Bücher bewahrt werden

Die Landesbibliothek besitzt heute noch rund 4.000 Bücher aus der Sammlung von Friedrich zu Mecklenburg-Schwerin. Vielen von ihnen hat der Lauf der Zeit stark zugesetzt. Wie die Bibliothek sie vor dem weiteren Verfall bewahrt und damit auch für kommende Generationen sichert? Das Video gibt einen Einblick.