Jörn van Hall, ein Mann Anfang 50, trägt kurzes, dunkles Haar. Er steht auf einem dunklen Boden, trägt eine dunkle Strickjacke, hält die Hände an den Hosentaschen. Er blickt hoch, in die Kamera, die ihre Perspektive über ihm eingenommen hat. Das Bild ist eine Schwarz-Weiß-Aufnahme.
Jörn van Hall
02.06.2023

Der Annalise-Wagner-Preis geht an...

Das Buchcover zeigt einen grau-braunen, geöffneten Vogelkäfig. Er hängt an einer Kette und schwingt. Auf ihm sitzt ein braun gefiederter Zaunkönig.
Jörn van Hall: Du stirbst im Fliegen. Erzählung. Quintus-Verlag, 2022
Das Logo der Annalise Wagner Stiftung.
Die Annalise Wagner Stiftung vergibt den Literaturpreis in diesem Jahr zum 32. Mal.

… Jörn van Hall. Die Jury wählte seine Erzählung „Du stirbst im Fliegen“ aus 73 Einsendungen aus. Er wird den Preis am 23. Juni in Neubrandenburg entgegennehmen. Wer möchte, kann dabei sein: Die Verleihung ist öffentlich. 

Darum geht’s im Buch 

Jörn van Hall erzählt die Geschichte von Helene, einer an Demenz erkrankten Opernsängerin, und Mourad, der aus seiner iranischen Heimat geflüchtet ist. Tag für Tag wartet er in seiner Container-Unterkunft auf den Brief, der über sein Leben entscheiden soll. Und er verzweifelt zusehends, bis sein heimlicher Freund Ole ihm im Haus der Mutter ein Zimmer anbietet. Im Gegenzug soll Mourad sich um die 80-jährige Helene kümmern, die mehr und mehr vergisst. Mit seiner Hilfsbereitschaft und den stimmungsvollen Erzählungen über seine Heimat und Träume gewinnt Mourad die Sympathien von Helene, Nachbarin Maike und Briefträgerin Irma. Nur der verwitwete Frithjoff, Maikes Vater und Helenes Verehrer, bleibt misstrauisch. Als Helenes Smaragdring verschwindet, glaubt Mourad, unter Verdacht zu stehen. Am Ende muss er über sein Leben entscheiden – allein. 

Das sagt die Jury 

Die Jury nennt die Geschichte „ein kleines Meisterwerk mit großer Strahlkraft“. Ganz im Sinne von Annalise Wagner fordere der Text zum Nachdenken über vielschichtige zeitgeschichtliche Themen heraus: Heimat und Identität, Flucht und Vertreibung, Verstrickung und Teilung, Homophobie und familiäre Autoritäten. Jörn van Halls „Kunst des Auslassens“ eröffne einen „Kosmos“ von Assoziationen. Die „poetische Kraft“ der Erzählung wirke lange nach. „Dabei überlässt er den Lesenden eine eigenständige Perspektive auf scheinbar vertraute wie auf vermeintlich fremde Lebensumstände in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation.“

Der Autor 

Jörn van Hall lebt als Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer in Neustrelitz und Berlin. Er wurde 1970 geboren, studierte in Hannover und Berlin Jura. Im Jahr 2000 ging er nach London und arbeitete dort als Editor. Von 2007 bis 2021 war er im deutschen Verlagswesen tätig. Als Kurator betreute er Projekte zu Kunst- und Kulturthemen mit Bezug zum Deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik. „Die Auszeichnung mit dem Annalise-Wagner-Preis rührt und ehrt mich sehr“, sagt er. „Ich fühle mich in meiner schriftstellerischen Arbeit bestärkt und in meinem Anliegen, Selbstverständlichkeiten einzufordern, wie sie Annalise Wagner, da bin ich mir sicher, gern er- und gelebt hätte: ‚Du bist ein Mensch‘, schrieb sie, ‚bist wie die Erde / so schillernd in tausend Farben.‘ Es ist an uns, nach diesen Zeilen zu leben, zu lieben.“ Die Erzählung „Du stirbst im Fliegen“ ist sein Prosa-Debüt. 

Der Preis

Der Literaturpreis versteht sich als Vermächtnis der Heimatforscherin Annalise Wagner (1903 – 1986). Er war 1991 der erste neue Kulturpreis, der in Mecklenburg-Vorpommern ins Leben gerufen wurde und gehört heute zu den anerkannten regionalen Literaturpreisen im Land. Vergeben wird er für Texte, die sich inhaltlich auf das Gebiet der historischen Region „Mecklenburg-Strelitz“ (rund um Neubrandenburg, Neustrelitz, Friedland oder Mirow) beziehen oder von Autorinnen und Autoren verfasst wurden, die in dieser Region leben. Belletristik aller Genres ist dabei genauso gefragt wie wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Sachliteratur oder Kinder- und Jugendliteratur. Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert und wird von der Annalise Wagner Stiftung vergeben.

Die Preisverleihung 

… findet am 23. Juni, 17 Uhr, im Haus der Kultur und Bildung in Neubrandenburg statt. Die Laudatio wird Kerstin Hensel halten. Sie ist eine der angesehensten deutschsprachigen Lyrikerinnen, schreibt außerdem Erzählungen, Romane, Theaterstücke, Hörspiele, Essays sowie Kinderbücher und ist seit 2001 Professorin für Verssprache und Diktion an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. Die Preisverleihung ist öffentlich. Wer dabei sein möchte, kann sich hier anmelden: stiftung.bibl@remove-this.neubrandenburg.de oder 0395 / 5551333.