12.06.2018

Chronistin des Fischlands

Ein Schwarz-Weiß-Foto von Käthe Miethe mit einem Blumenstrauß in der Hand.

Eine Hommage an Käthe Miethe haben sich Fans der Schriftstellerin und Teilnehmer des Käthe-Miethe-Stammtischs für diesen Sommer einfallen lassen. Anlass ist der 125. Geburtstag der Chronistin des Fischlandes.

In insgesamt fünf Veranstaltungen steht die vielseitige Autorin unter ganz unterschiedlichen Vorzeichen im Mittelpunkt: als Übersetzerin, Journalistin, Schreiberin der berühmten Fischlandbücher ... denn auf dem schmalen Landstreifen zwischen Meer und Bodden ist Käthe Miethe unvergessen - sicher auch ein Grund dafür, dass in diesem Jahr mit dem Jugendbuch „Zu den ,Glücklichen Inseln” ein weiteres bisher unveröffentlichtes Manuskript erschienen ist.

Der Wustrower Helmut Seibt hat das Buch herausgegeben, veröffentlicht wurde es im Thomas-Helms-Verlag Schwerin. Der Herausgeber selbst sieht darin eine ungewöhnliche Geschichte. Eine, zu der ein Pionier der Farbfotografie und die Insel Teneriffa genauso gehören wie das Fischland, weiße Mokkatassen und ein vergessener Hefter mit 145 Schreibmaschinenseiten. Aber der Reihe nach.

Helmut Seibt ist kein Schriftsteller, sondern Pädagoge und Mathematiker, vielseitig interessiert und außerdem mit einer Althägerin verheiratet. Gisela Seibts Elternhaus stand in der Nachbarschaft der Büdnerei, in der Käthe Miethe zu Hause war. Als Kind half sie „Frau Miethe, wie wir sagen mussten” bei der Gartenarbeit. „Ich bekam dafür Bonbons und meine Schwester, die schon etwas älter war, Bücher”, erinnert sich die heute 73-Jährige. Die Bücher gehörten zu einem Genre, das Seibts „Jungmädchenbücher” nennen: Deren Heldinnen stehen an der Schwelle zum Erwachsensein - mit allen Problemen und Herausforderungen.

Käthe Miethe schrieb diese Bücher in den 20er- und 30er-Jahren. Zuvor hatte sie bereits Abenteuergeschichten veröffentlicht, die sich an Berichte von Forschungsreisen ihres Vaters nach Ägypten und Spitzbergen anlehnten. Der Chemiker Adolf Miethe hatte als Astrofotograf an Expeditionen, unter anderem 1914 zur Beobachtung einer Sonnenfinsternis in Norwegen, teilgenommen. Er entwickelte ein Verfahren zur Dreifarbenfotografie und veröffentlichte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Farbbilder.

Ein Buch mit Farbfotografien Miethes im Bücherschrank seiner Schwiegereltern brachte Helmut Seibt auf die Spur des Wissenschaftlers - und auch auf die von dessen Tochter. Denn die Familie war eng mit dem Fischland verbunden: Hierher fuhren Miethes in die Sommerfrische, hier, in Althagen, kaufte Adolf seiner Tochter Käthe 1916 die Büdnerei 54. Waren es anfangs Sommeraufenthalte, zog Käthe Miethe 1939 ganz nach Althagen. Seibt vermutet, dass sie sich aufs Fischland zurückzog, um dem Treiben der Nazis in Berlin zu entgehen. Zwar gibt es von ihr keine schriftlich überlieferten Äußerungen zu diesem Thema, doch ihr gesamtes Werk weist keine Nähe zu den braunen Machthabern auf.

Auf dem Fischland wurde Käthe Miethe Teil einer Gemeinschaft, die von der Seefahrt geprägt war. Jetzt entstanden ihre so genannten Fischland-Bücher, die sich durch seemännisches Fachwissen und Lokalkolorit auszeichnen. „Um so zu erzählen, musste Käthe Miethe auch etwas erzählt bekommen”, sagt Helmut Seibt. Er weiß von alten Althägern, dass die Schriftstellerin deshalb in den Schifferkneipen einkehrte: im „Boddenhaus”, „Zum Kiel” und am „Kap der guten Hoffnung”. Hier spannen die Seebären ihr Seemannsgarn, hier hieß es „Hoch die Tassen”. Im Falle von Käthe Miethe sogar im wahrsten Sinne des Wortes: Die Schriftstellerin trank Kognak aus dem Mokkatässchen - „Braunes aus weißen Tassen”, so ist es überliefert.

Käthe Miethes Kunst ist es, durch ihre Erzählweise das alte Fischland vor dem inneren Auge des Betrachters entstehen zu lassen. Und nicht nur das Fischland: Die Hauptheldin des Buches „Zu den Glücklichen Inseln” reist mit ihrem Vater auf einem Bananendampfer nach Teneriffa. „Nach den Beschreibungen von Käthe Miethe könnte man dort spazieren gehen, Santa Cruz, der Pik, alles steht vor Augen”, sagt Helmut Seibt. Nachdem er bei Recherchen zu Adolf Miethe auf dessen Lebenserinnerungen gestoßen war, hatte er auch in Richtung von Käthe Miethe einen Rechercheversuch im Archiv des Hinstorff-Verlages unternommen und war auf das unveröffentlichte Manuskript der „Glücklichen Inseln” gestoßen: einen Schnellhefter mit 145 Seiten, auf der Schreibmaschine getippt.

Seibt übertrug jede Zeile davon in den Computer - und so ist 57 Jahre nach Käthe Miethes Tod ein weiteres „Jungmädchenbuch” erschienen. Neben der abenteuerlichen Geschichte um Seefahrt, Freundschaft und Vertrauen enthält der Band ein Tagebuch von Käthe Miethes eigener Reise nach Teneriffa. 1926 war sie drei Monate auf der Insel und veröffentlichte ihre Beobachtungen anschließend in der Deutschen Allgemeinen Zeitung, für deren Feuilleton sie schrieb.

Zudem war die 1893 in Rathenow geborene Schriftstellerin und Journalistin auch als Übersetzerin tätig - sie übertrug Bücher aus dem Norwegischen ins Deutsche. Käthe Miethe lebte selbst ihren Anspruch, dass Frauen selbstständig sein und einen Beruf haben sollten - damit war sie zu ihrer Zeit unangepasst und revolutionär.

Als „uriger, umgänglicher Mensch” ist sie Alteingesessenen auf dem Fischland in Erinnerung geblieben. Die Jüngeren und neu Hinzugezogenen hören es durch Erzählungen. Zum Beispiel bei der Lesereihe aus Anlass des 125. Geburtstags oder Veranstaltungen des Käthe-Miethe-Stammtischs, den Gisela und Helmut Seibt vor zweieinhalb Jahren ins Leben gerufen haben und der in Malchens Café in Althagen seinen Sitz hat.

Wenn sie bei Veranstaltungen dort auf die Schriftstellerin anstoßen, tun sie es natürlich stilecht mit kleinen Mokkatassen.                                                                 

Autorin: Katja Haescher

Tipp

Die nächste Veranstaltung in der Reihe „Hommage an Käthe Miethe” findet am 28. Juni um 19 Uhr in der Käthe-Miethe-Bibliothek in Ahrenshoop (Bernhard-Seitz-Weg 3) statt. An diesem Tag steht Käthe Miethe als Übersetzerin von Büchern nordischer Autoren im Mittelpunkt.