Außenfassade vom Kulturquartier. Das Gebäude ist zwei Stockwerke hoch. In unregelmäßigen Abständen kommt ein spitzer Giebel dazu. Auf beiden Etagen reihen sich Fenster an Fenster. Auf der hellen Fassade steht in dunkler Schrift "Kulturquartier".
Neustrelitz, Schlossstraße 12/13: Hier hat das Kulturquartier seinen Sitz.
19.12.2022

Ein Quartier für Kultur

Museum. Bibliothek. Archiv. Veranstaltungsraum. Café. Vereint unter einem Dach. Als Neustrelitz entschied, das alte Kaiserliche Postamt zu kaufen, legte die Stadt den Grundstein für eine Idee, die in MV bis heute einmalig ist. Willkommen in einem besonderen Ort der Begegnung: dem Kulturquartier.

„Einen Kaffee bitte.“ Gurgelnd füllt die Maschine die Tasse. Die junge Frau nimmt an einem der großen Terrassenfenster Platz. Sie kommt gerade aus der Bibliothek, gönnt sich noch einen Moment und schmökert durch die ersten Seiten ihres Romans. An einem der anderen Tische sind zwei Freundinnen lachend in ihr Gespräch vertieft. Ein älteres Paar schlendert derweil durch die Strelitzer Hofküche, schaut, was Dörchläuchtings Köche auf die fürstlichen Tafeln brachten. Wenn es will, kann es Originalrezepte zum Nachkochen mitnehmen.

Der offene Grundriss im Erdgeschoss verwebt fast alle Räume des Hauses miteinander: Museum, Sonderausstellung, Café, Garten, Bibliothek, Veranstaltungssaal. Geschäftsführerin Dorothea Klein-Onnen nennt den Bereich „das Herz des Kulturquartiers“. Jeder kann hier verweilen. Eintritt wird nur für die Dauerausstellung im Museum erhoben.

Ein lebendiges Forum

Kultur und Bildung, die Spaß machen und nah am Menschen sind – das ist der Anspruch, mit dem Dorothea Klein-Onnen gemeinsam mit ihrer kaufmännischen Geschäftsführerin Christina Sturm und einem Kernteam von elf Leuten die Geschäfte des Kulturquartiers führt. Das Motto wickelt sich wie eine unsichtbare Banderole um alle Bereiche. „Wir möchten eine Schnittstelle sein. Ein lebendiges Forum für Einheimische und Touristen, für Erwachsene und Kinder.“

Dorothea Klein-Onnen kennt die Alte Post noch aus Kindheitstagen. Später, als junge Frau, zieht es sie aus der Kleinstadt in die Ferne. Nach London, Bologna, Berlin, Köln, Florenz. Sie studiert Kunstgeschichte und Neue Deutsche Literatur, Bibliotheks- und Informationswissenschaften. Betreut und präsentiert museale Sammlungen. Sammelt Erfahrungen in der modernen Bibliothekswelt, Öffentlichkeits- und Veranstaltungsarbeit.

In ihrer Abwesenheit tut sich einiges in dem alten, denkmalgeschützten Gebäude in der Schlossstraße. Die Post gibt den Standort auf. 2008 kauft die Stadt das Areal. Sie saniert, baut um, verbindet das alte Gebäude an der Straßenseite mit der zurückgesetzten Alten Münze. Im Frühjahr 2016 öffnet das Kulturquartier.

Rückkehr mit Traumjob

Nach 20 Jahren in der Ferne, mit einer kleinen Familie an der Seite, gewinnt der Wunsch, nach Neustrelitz zurückzukehren, im Leben von Dorothea Klein-Onnen Oberhand. Wie es der Zufall will, sucht das Kulturquartier zu jener Zeit eine neue Geschäftsführung. „Die Stelle vereint alles, was ich bisher gelernt habe. Die Weiterentwicklung des Kulturquartiers ist ein echter Traumjob für mich.“

Als sie im Sommer 2019 loslegt, muss sie Einheimischen noch oft erklären, was das Kulturquartier ist. Inzwischen sind viele schon dagewesen. Vielleicht liegt das auch an den bunten Umfrage-Zetteln, die sie gleich am Anfang verteilt. „Ich wollte ein Gespür dafür bekommen, was sich die Menschen von ihrem Kulturquartier wünschen.“ Konzerte im Garten. Lesungen. Krimi-Abende. Gruselnächte. Rallyes durch die Stadt. Viele Anregungen hat das Team aufgegriffen.

Dass das Kulturquartier ein attraktiver Ort für Kinder und Familien ist, haben Dorothea Klein-Onnen und ihr Team jetzt auch schwarz auf weiß: Der Landestourismusverband hat ihnen im Sommer das Qualitätssiegel „Familienurlaub MV-Geprüfte Qualität“ verliehen.

Dorothea Klein-Onnen sitzt auf einem blauen Sofa im Café. im Hintergrund stehen ein Tresen, Tische, Stühle und Pflanzen. Eine raumhohe Fensterwand erhält den Raum.
Dorothea Klein-Onnen leitet das Kulturquartier seit Sommer 2019.
Ein großer Raum mit einem großen Durchgang, der von zwei Säulen getragen wird. Links ist eine Doppeltür geöffnet, dahinter befindet sich eine Ausstellung. Ein rotes Sofa steht im Raum. Treppen führen eine Etage höher. Weiter hinten stehen Tische und Stühle vom Café.
Hereinspaziert! Das offen gehaltene Erdgeschoss legt den Besuchern alle Möglichkeiten, die das Haus ihnen bietet, zu Füßen.
Drei blaue Bildschirme. Links und rechts darauf: zwei Monarchen. In der Mitte Herrschaftswappen.
300 Jahre – so lange währte die Geschichte von Mecklenburg-Strelitz. Wie wurde das Land gegründet? Wie blühte es auf? Und wie ging es unter? Die Dauerausstellung erzählt es auf einem Rundgang zum Anschauen, Anhören und Anfassen.
Auf einem Tisch steht ein Silberteller mit drei Silberlöffeln, eine Schale mit Nüssen, eine Flasche Essig, ein Kräutertopf und ein Abtropfsieb.
Was speiste die herzogliche Familie zu Weihnachten? Und wozu brauchte ihre Küche einen Feuerböther? Antworten – und Rezepte zum Nachkochen – gibt’s bis 29. Januar 2023 in einer Sonderausstellung zur Strelitzer Hofküche.
Ein junge steht mit Kopfhörern im Ohr und einer Fernbedienung in der Hand vor dem erleuchteten Modell des Schloss Neustrelitz.
Wer möchte, bekommt im Museum was auf die Ohren. Der hörspielartige Audioguide zur Geschichte der Region kann kostenfrei auf dem eigenen Smartphone oder über ein Tablet des Museums genutzt werden.
In einen roten Postkasten ist ein Bildschirm integriert. Er zeigt an, auf welchen Wegen man früher von Neustrelitz mit der Postkutsche reisen konnte.
Mit der Postkutsche von Neustrelitz nach Woldegk zu reisen, dauerte acht Stunden und eine Übernachtung. Die Kutsche fuhr viermal in der Woche: montags, mittwochs, freitags und sonntags, jeweils 19.30 Uhr.
Zwei Kinder stehen mit einem Tablet in der Hand vor einer Bildergalerie adliger Frauen und Männer.
Kinder können im Museum mit einem Tablet durch die Zeitgeschichte reisen und stoßen dabei auf viele spannende Details. Die Geräte können kostenfrei ausgeliehen werden.
Links und rechts eine weiße Wand, dazwischen eine passgenaue Treppe. Darüber ein Glasdach.
Die Lichtfuge verbindet die Fassade der Alten Post mit einem modernen Anbau. Früher befand sich an ihrer Schnittstelle die Laderampe für die Postfahrzeuge.
Ein Regal voller Kinderbücher.
Im Obergeschoss des Kulturquartiers befindet sich die Stadtbibliothek. Ihr Bestand: rund 30.000 Medien. 3000 von ihnen werden jedes Jahr durch neue ersetzt.
Ein großes Fenster. Auf der Fensterbank sitzen zwei Jugendliche und lesen. Dahinter stehen der Anbau des Hauses und Bäume im Garten.
So lässt sich gut Schmökern: Das Panoramafenster mit Blick in den Garten und auf die Alte Münze ist das Highlight im Lesebereich.
In einer Vitrine befinden sich eine Informationswand, ein Posthorn, ein Paket, eine Briefwaage und ein Telefon.
Im Foyer erinnert eine Vitrine an die ursprüngliche Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes als Post. Ende des 19. Jahrhunderts als Kaiserliches Postamt errichtet, stand es noch bis 2000 als Post- und Fernmeldeamt im Dienst.
An einer Magnetwand hängen viele bunte Zettel mit Wünschen und Ideen für das Kulturquartier.
„Was wünscht ihr euch im Kulturquartier?“ Mit einer Umfrage band Dorothea Klein-Onnen die Neustrelitzer/innen ein, Ideen und Wünsche zu äußern.
An einer Wand hängt ein Porträt von Walter Karbe und Annalise Wagner. Dazwischen befindet sich eine Infotafel.
Im Karbe-Wagner-Archiv können Besucher/innen in regionale Geschichte und Geschichten eintauchen. In Postkarten und Fotos, Zeitungsausschnitten und anderen Dokumenten stöbern. Kern des Archiv sind die Sammlungen von Walter Karbe (1877-1956) und Annalise Wagner (1903-1986), zwei Heimatforschern.
2016 wurde das Kulturquartier mit dem Landesbaupreis ausgezeichnet. Die Jury lobte die Gestaltungsfreude der Stadt: Bauherr, Architekt und Planer hätten es verstanden, ein städtebaulich bedeutendes denkmalgeschütztes Areal sinnstiftend zu entwickeln.