Vier Bilder hängen nebeneinander. Ein Soldat sitzt in wechselnden Posen vor einem roten Hintergrund.
Zwischen Propaganda und Perestroika: Thomas Zieglers „Sowjetische Soldaten 1987" erregten auf der letzten Kunstausstellung der DDR großes Aufsehen. Nach der Wende lagerten sie jahrelang im Kunstarchiv Beeskow. Jetzt sind sie erstmals wieder öffentlich zu sehen.
06.07.2018

Hinter dem Horizont geht’s in die DDR

Auf einem Gemälde öffnet eine Frau ihr Dekolletee.
Das Kulturministerium hatte Heidrun Hegewald beauftragt, Rosa Luxemburg zu malen. Ihre Darstellung kam bei den Staatsoberen 1987 allerdings nicht gut an.
Kornelia Röder steht in einem der Ausstellungsräume. An den Wänden hängen Bilderrahmen. Im Raum steht ein Postkartenständer.
Die Schweriner Sammlung zur DDR-Kunst ist auch nach der Wende stetig erweitert worden, sagt Kuratorin Kornelia Röder.

„Bin ich auch dabei?“ Als sich herumspricht, dass Schwerin in diesem Sommer eine Ausstellung zur DDR-Kunst plant, soll so mancher Künstler im Museum angerufen haben. Für ihre Entscheidung haben Kornelia Röder und Deborah Bürgel lange in der hauseigenen Sammlung gestöbert. Nach lauten und leisen Positionen und unterschiedlichen Facetten gesucht. Jetzt liegen „Hinter dem Horizont“ sieben Kapitel und 51 Künstler.

Da sitzen sie nun. Vier Sowjetsoldaten. In Uniform. Vor zinnoberrotem Hintergrund. Auf einem Brett. Links und rechts rutscht es ab. Kein fester Stuhl. Kein Stolz. Kein Heldenblick. Keine Auftragsarbeit. Der Kalender schreibt die Jahre 1986 und 1987, als die vier Soldaten Thomas Ziegler in Schwerin regelmäßig Modell sitzen. Das System wackelt. Es ist die Zeit von „Perestroika“ und „Glasnost“, Umgestaltung und Offenheit. Als die sowjetischen Soldaten kurz darauf in Dresden, in der X. - und letzten – Kunstausstellung der DDR hängen, werden sie heiß diskutiert. Ein Käufer findet sich auch: die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Sie verleiht ihm für das Bild einen Kunstpreis und hängt es ins Schweriner Haus der DSF, dem heutigen Neustädtischen Palais und Sitz des Justizministeriums. 1989 plant das Museum der Harvard University eine Ausstellung über zwölf Künstler der DDR. Auch Zieglers Soldatenbild soll dabei sein. Erst als der amerikanische Kurator den Kulturfunktionären droht, die ganze Ausstellung platzen zu lassen, geben sie klein bei und stimmen zu. Als es 1990 aus den USA zurückkommt, ist die DDR Geschichte. Die sowjetischen Soldaten landen im Kunstarchiv Beeskow. Zusammen mit vielen anderen DDR-Kunstwerken aus Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Vor drei Jahren kommen sie zurück in den Landeskunstbesitz. Jetzt werden sie das erste Mal wieder öffentlich gezeigt. Gleich neben ihnen hängt Rosa. „Die Rosa“. Das Ministerium für Kultur hatte sie bei Heidrun Hegewald in Auftrag gegeben. Am Ende ist den Funktionären der Blick auf Rosa Luxemburg zu schwarz gemalt. Sie lehnen das Bild ab. Wer bei den Soldaten und Rosa Luxemburg angekommen ist, hat den größten Teil der Sommerausstellung des Staatlichen Museums Schwerin schon hinter sich. Die fleißigen Bauern, Fischer und Arbeiter aus den Auftragsmalereien. Die Stillleben, Porträts und Landschaften der Usedomer Künstlergemeinschaft. Wieland Försters sinnliche Zeichnungen und Skulpturen. Viel Abstraktes und noch mehr Realismus. Zusammengetragen haben Kornelia Röder und Deborah Bürgel die meisten Ausstellungsstücke aus dem museumseigenen Depot. Die Qual der Wahl lag in 613 Bildern, 158 Skulpturen und mehr als 1000 Grafiken und Zeichnungen. Am Ende blicken die beiden Kuratorinnen in sieben Kapiteln auf die Kunstgeschichte der DDR. Mit gut 100 Beispielen. „Die Ausstellung zeigt, wie vielfältig und zuweilen auch widersprüchlich die Kunst war, die zur Zeit der DDR entstand“, sagt Pirko Kristin Zinnow. Ihr sei bewusst, so die Direktorin der Staatlichen Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen, dass DDR-Ausstellungen „gerade in Mode sind“. Das Museum laufe hier aber „keinem Trend hinterher“, sondern führe als einer der Vorreiter bei diesem Thema seine seit 1996 kontinuierlich geführte Auseinandersetzung mit der DDR-Kunst fort. Im Epilog der Ausstellung kommt die Kunst per Postkarte. Die bei „Verantwortung“ mit den Fingern auf andere zeigt. Zum „Stand der Dinge“ sagt: „Es wird Zeit, daß sie in Bewegung geraten“. Mit dem Kopf im Sand eindringlich fordert: „Versetzen Sie sich bitte nicht in meine Lage.“ Oder beteuert: „Niemand hat die Absicht, eine Ausstellung zu eröffnen.“ Mail-Art nennt sich das, was weit vor dem Internet als internationales Netzwerk für den Kunst- und Gedankenaustausch fungierte. Anarchisch. Subversiv. Provozierend. Witzig. Und nicht ganz ungefährlich. Damit endet das letzte Kapitel „hinter dem Horizont“. Abgeschlossen ist die Auseinandersetzung des Museums mit der DDR-Kunst damit aber nicht, kündigt Direktorin Zinnow an. Denn: Hinterm Horizont geht es ja bekanntlich weiter.

Im Raum stehen zwei blaue Wände mit je einem Bild an der Wand. Davor steht eine Skulptur.
Im Auftrag geschaffen: Der Auftragskunst kam in der DDR eine besondere Bedeutung zu. In Auftrag gegeben wurden die Werke von Betrieben, staatlichen Institutionen oder Ministerien. Die damit verbundene Funktionalisierung war ein wesentlicher Bestandteil der Kunstpolitik.
Ein Gemälde an einer blauen Wand.
Ein Paar, das den Boden der Tatsachen verlässt: Das Gemälde "Schwebendes Liebespaar" von Wolfgang Mattheuer gilt heute als Ikone der DDR-Kunst. Der Rat des Bezirkes hatte es 1973, nach der VII. Kunstausstellung der DDR, in die Schweriner Sammlung überwiesen.
Eine braune, abstrakte Skulptur. Im Hintergrund hängen Bilder an der Wand.
Neben Bildern werden in der Ausstellung auch Plastiken und Skulpturen gezeigt. Zum Beispiel "Der Kuß" von Theo Balden.
Auf zwei braunen Sockeln stehen zwei weiße Skulpturen. Im Hintergrund fotografiert eine Frau die Ausstellung.
Der Bildhauer Wieland Schmiedel erhielt 2009 den Kulturpreis des Landes. In der Ausstellung sind seine Skulpturen Mars I und II zu sehen.
Holger Stark steht vor einer Wand mit seinen Bildern.
Ein Blick in die alternative Kunstszene der DDR. Dazu gehörte auch Holger Stark...
Ein Mann steht vor einer blauen Wand, an der vier Bilder hängen.
... zum Beispiel mit seiner Performance "Haare lassen".
Eine Vitrine voller Postkarten.
"Diese Karte teilt Ihnen meine Gedanken mit, denke sie weiter": Robert Rehfeldt gehörte zu den bekanntesten Vertretern der Mail-Art in der DDR.
Eine Vitrine voller Postkarten.
Mail-Art wie diese war der DDR-Staatssicherheit ein Dorn im Auge. Besonders aktive Mail-Artisten stufte sie in einem operativen Vorgang als "Feinde" ein.