21.09.2022

Bedarfshaltestellen!

Vier Personen sitzen in einer Haltestelle aus Holz und essen. Neben ihnen lehnt ein Schild mit der Aufschrift "Genuss".

Bedürfnisse, Missverhältnisse und Leerstellen. All das vereint der Begriff Bedarfshaltestelle. In vier digitalen Laboren untersuchen Kunstschaffende, was ländliche Räume bedürfen. Eine Art der künstlerischen Forschung über Disziplingrenzen hinweg. Ein Experiment – unabhängig von Ort und Zeit. 

Nachdem Corona auch in der Kunst vieles zum Erliegen brachte, suchten Kulturschaffende nach neuen Präsentationsmöglichkeiten. So auch die Künstlerinnen und Künstler der 2010 ins Leben gerufenen Ausstellungsreihe „Kunstlandschaft“, die mit der Homepage www.kunstlandschaft.works einen digitalen Raum für Kunst schufen. Hier haben Kulturschaffende die Möglichkeit, sich mit ihren Arbeiten vorzustellen. 

In diesem Jahr haben sie sich in interdisziplinären Kooperationen künstlerisch und forschend mit den Bedarfen ländlicher Räume auseinandergesetzt. Dabei sind vier „Bedarfshaltestellen“ entstanden. Digitale Labore, die Leerstellen, aber auch Freiräume aufzeigen. 

Das Projekt setzt die diesjährige Jubiläumsausstellung „Kunstlandschaft 10 - Bedarfshaltestelle“ im Kulturhaus Mestlin fort. Es wird vom Kulturministerium gefördert. Zu finden sind die digitalen Labore unter www.kunstlandschaft.works. Und das sind die vier Labore im Überblick: 

Drittvariable Labor

Vier Personen stehen an einer verlassenen Haltestelle aus Steinen. Neben ihn steht ein Ortseingangsschild. Darauf steht: Frauenmark.

ein Labor der Künstlergruppe DRITTVARIABLE / Lena Biesalski, Felix Fugenzahn, Susanne Gabler, Christian Schönwälder

Welche Bedürfnisse sind es wert anzuhalten? Glaube, Lust, Erholung. Wie kann das Aussteigen am richtigen Ort Bedürfnisse befriedigen? Im Labor beginnt die Reise in den ländlichen und urbanen Raum. Die Forschungsergebnisse veröffentlichte die Gruppe in einem digitalen Projekt @dv_labor_2022.

„Auf unserer Reise haben wir Bedürfnissen einen Ort gegeben, Menschen in einer partizipativen Aktion gefragt, welchen alltäglichen Tätigkeiten sie lieber aus dem Weg gehen wollen. Wir haben erforscht, wie man seinen Halt finden kann oder seine Haltungen in der Welt. Immer an oberster Stelle steht das Bedürfnis, Unangenehmes zu vermeiden und Unvermeidbares als angenehmer zu erleben. Wir entwickelten Instrumente, die uns dabei helfen. Wir empfinden viele Bedürfnisse. Wir brauchen sie, um uns zu versorgen. Sie bilden die Grundlage unseres Lebens. Die Wirtschaft hat das umgesetzt, indem sie unsere Bedarfe definiert. Und wir fragen stattdessen: Welche Bedürfnisse wollen wir definieren?", erklärt die Gruppe.

Astrid Brünner: „Wege und Bewegung“ / Videocollage

Eine Wiese. Zwei Hände halten einen gelben Faden, der auf der Wiese liegt.

in Kooperation mit KOLL.AKTIV – Astrid Brünner, Katrin Kilian, Karen Kunkel, Annett Simon, Kairi Uibo, Anne Wende

Wegen unerwarteten Umständen Umwege in Kauf nehmen und davon profitieren. Spontane Impulse bewusst wahrnehmen und weiterverarbeiten. Dabei den gemeinsamen Leitfaden im Blick behalten und beweglich bleiben. Wege und Bewegung – eine Videocollage, die Lösungswege und Bewegungsimpulse, die während des gemeinsamen Schaffens von Koll.aktiv auftauchen, in einer Momentaufnahme fasst. Sie erzählt von der Beziehung zwischen der Arbeitsweise der Künstlerinnengruppe und dem ländlichen Raum.

Matthias Dettmann: When did Mäkelborg egentlich uphört?

Ein weißes Blatt. Darauf liegen drei Holzstempel mit Griff. Auf dem Blatt befinden sich acht Stempelbilder in Briefmarkengröße.

in Kooperation mit Uva Piterane / Uwe Johnson Gesellschaft im Rahmen des KVlab / Kunstverein zu Rostock

Das KVLab des Kunstvereins zu Rostock zeigt eine künstlerische Auseinandersetzung zum Autor Uwe Johnson und seine literarische Beziehung zum Land Mecklenburg. Diese Auseinandersetzung ist eine Zusammenarbeit mit der Uwe Johnson Gesellschaft Rostock und Matthias Dettmann. Welche Rolle spielt der ländliche Raum bei Johnson? Wie spiegelt sich die mecklenburgische Heimat in der Fremde? Woran erinnert man sich? Wo zieht man Parallelen?

Dabei wurden nicht nur literarische Aspekte, sondern auch persönliche Beziehungen Johnsons zum Land Mecklenburg untersucht. Ein weiterer Aspekt ist, wie Johnson das Mecklenburgische während seiner Reisen (zum Beispiel nach New York) in seinem letzten Wohnort Sheerness-on-Sea aufgreift und wie Johnson mecklenburgische Orte und Menschen dorthin mitgenommen und literarisch verarbeitet hat.

Tino Bittner: „URBAN RURAL"

Ein weißes Blatt. Darauf steht in schwarzer Schrift: "Urban Rural".

Untersuchungen zwischen städtischem und ländlichem Raum

Das Labor als ein Raum für Erkenntnisgewinn war stark geprägt durch Gedanken und Austausch mit den beteiligten Wissenschaftlern. Sie entwickelten Ideen in Textform und Visualisierungen. Um den Charakter eines Experiments oder einer Utopie zu erzeugen, traten Techniken wie Fotomontage oder Soundcollage in den Vordergrund. Die unterschiedlichen Ansätze werden in einem Video und diverser Dokumente gezeigt.

Der beschriebene Charakter der Imagination konnte durch digitale Techniken erzeugt werden. Ausgangspunkt war jedoch das Erleben analoger Situationen, die als Erfahrungsschatz das Projekt begleiteten. Der Verweis auf eine analoge Realität ist zentral im Prinzip „What If“ und kann unmittelbar wieder zurückgeführt werden.

Am Beispiel „BusStop“ lässt sich das gut nachvollziehen. Die Bushaltestellen sind dem realen ländlichen und städtischen Räumen entnommen und können nach der Bearbeitung und Behauptung einer entsprechenden (fiktiven) Werbekampagne diesen auch wieder zugeordnet werden.

In Kooperation mit Dr. Dethardt Götze, Kustos Botanischer Garten Rostock, Thomas Lübke, M.A. Soziologie und Erziehungswissenschaften, und Katharina Sergeeva, B.A. Kulturwissenschaften Untersuchungen.