An knapp 1.100 Stätten in 167 Ländern hängt die Unesco-Welterbeplakette. Sie gilt als Qualitätssiegel mit hoher Glaubhaftigkeit, denn Welterbe verpflichtet. Kultur-MV hat Welterbestätten im Nordosten besucht und mit Verantwortlichen geplaudert. In mehreren Teilen geben wir Einblicke in die verschiedenen Welterbe Mecklenburgs und Vorpommerns. Teil II: 

Stralsund und Wismar II: Leben im Welterbe

Ein Schiffswappen. Drei Segel sind gesetzt, stehen im Wind. Unter dem Schiff deutet sich Wasser an. Das Wappen befindet sich an einer Hausfassade.
Es sind vor allem die kleinen Details an den Fassaden wie diese Kogge in Stralsund, die aus der Vergangenheit erzählen.
Menschen gehen über den Marktplatz von Stralsund. Am Rand stehen Giebelhäuser in weiß, gelb und braun.
Einkaufsstandort, Freizeitangebote und beliebtes Wohnquartier - Stralsunds Altstadt ist auch für die Einwohner attraktiver geworden.
Eine Backsteinfassade. Zwei Fensterreihen mit jeweils neun Fenstern. Davor steht ein Baum. Dahinter ragt der Turm der Stralsunder Nikolai-Kirche empor.
Die Besucherzahlen in Stralsund haben sich verdoppelt, seit die Hansestadt zum Weltkulturerbe erklärt wurde.
Zwei bunte bemalte Herkulesbüsten, die sogenannten Schwedenköpfe. Sie tragen einen Schnauzbart und einen Hut. Sie stehen auf einem Sockel. Ohne ihn wären sie ungefähr hüfthoch.
Die Schwedenköpfe markieren die Hafeneinfahrt von Wismar. Über ihre wahre Bedeutung wird noch heute spekuliert.
Die St.-Nikolai-Kirche in Wismar. Der Backsteinbau wird von beigefarbenen Häusern umrahmt.
St. Nikolai wurde in Wismar von 1381 bis 1487 als Kirche der Seefahrer und Fischer erbaut. Als Sakralbau der Backsteingotik ist sie heute ein Besuchermagnet.

Da hängt ein Walskelett im Kirchenchor. Ja, in Stralsund in der Klosterkirche von St. Katharinen. Und in Wismar bringt ein gläserner Aufzug Besucher aufs Kirchendach von St. Georgen. Beide Backsteingebäude gehören zum Weltkulturerbe und beweisen: Geschichte zu wahren schließt moderne Nutzung nicht aus, aber verantwortlichen Umgang mit ihr ein. 

Strahlend weiß sticht die Fassade des Ozeaneums aus Stralsunds Hafenfront heraus. Moderne Architektur gleich in erster Reihe der sonst so historischen Stadtkulisse. Unweit davon erhebt sich die Rügenbrücke seit 2007 über einen Teil der Altstadt und spannt sich hinüber bis zur größten deutschen Ostseeinsel.

Authentizität ist wichtig

„Alle Maßnahmen im Zuge der Stadtentwicklung müssen die Belange des Denkmalschutzes wahren und behutsam umgehen mit historischer Substanz", erklärt Welterbemanagerin Steffi Behrendt. 

„Authentizität ist wichtig", sagt ihr Kollege Norbert Huschner in Wismar, der von 1999 bis 2009 Chef des Bauamtes war. „Moderne Architektur und Welterbe stehen sich nicht entgegen. Die Maßstäbe müssen stimmen, genauso wie das Verhältnis von historischer und zeitgenössischer Architektur."

Initialzündung für Altstädte

So sind in Wismar seit 2002 zwei neue Vier-Sterne-Hotels entstanden. „Welche Stadt unserer Größe kann das schon vorweisen? Das haben wir dem Welterbestatus zu verdanken", so der Fachmann. Der neue Status habe vor allem die Wirtschaft angekurbelt. 94 Prozent der rund 1750 Altstadthäuser sind in privater Hand, bis auf 125 Gebäude alle saniert. Lebten 1995 noch 5.000 Einwohner in der Altstadt, sind es 2017 rund 8.000. „Leerstand gibt es kaum", sagt Huschner.

Die Stralsunder Altstadt beherbergt rund 6.000 Einwohner. „Die Anerkennung als Welterbe war in jedem Fall eine Initialzündung für die weitere Entwicklung der Altstadt", so Behrendt. „Sie hat damit ihre wichtige Zentrumsfunktion für die Stralsunder wiedererlangt - Einkaufsstandort, Freizeitangebote und beliebtes Wohnquartier."

Hunderttausende Besucher pro Jahr

Aber die Bewohner müssen ihre Altstädte mit immer mehr Touristen teilen. Die farbenfrohen Fassaden, der historische Charme und die spannende Geschichte ziehen Besucher an. „Die Hansestadt konnte die Zahl der Übernachtungen seit Aufnahme in die Welterbeliste mehr als verdoppeln", berichtet die Stralsunder Welterbe-Managerin.

In Wismar habe sich die Besucherzahl zwischen 1995 und 2017 sogar verfünffacht, so Huschner.  Diese lassen jährlich mehrere Millionen Euro in der Hansestadt - für Übernachtung, Essen, Eintritte und Einkäufe. Die Stadt profitiert.

So hat der Welterbestatus die Altstädte belebt und auch so manchem Gebäude ein neues Leben geschenkt. 24 Jahre und 40 Millionen Euro hat es zum Beispiel gebraucht, um St. Georgen in Wismar wieder aufzubauen.

Die Geschichte der größten gotischen Backsteinkirche in Wismar lesen Sie in Teil III: Die Auferstehung von St. Georgen. 

Weltkulturerbe an der Ostsee