Luftaufnahme des Schlosses.
Schloss Gadebusch. Die kürzlich zugesagten Bundesmittel für die Sanierung seien „ein deutliches kulturpolitisches Signal und geben uns starken Rückenwind“, sagt Karl Heinrich Wendorf.
26.03.2021

„Was für eine Chance!“

Ein Porträt von Karl Heinrich Wendorf vorm Schloss.
Karl Heinrich Wendorf

Schloss Gadebusch wurde von 1570-73 gebaut, diente u.a. als Gericht, Internat und stand lange Zeit leer. 2017 kaufte es die Stadt Gadebusch, jetzt soll das historische Gebäude saniert werden. Unser Interview mit einem der Initiatoren, Karl Heinrich Wendorf (kultursegel gGmbH), über Baupläne, Veranstaltungen und einen Ort der Kultur, Bildung und Begegnung - inkl. Akademie für musisch-kulturelle Bildung. 

Wann waren Sie zum ersten Mal im Schloss?

Karl Heinrich Wendorf: Am 29.12.2017 war ich zusammen mit Christoph Struck, Projektkoordinator für die Sanierung des Schlosses, zum ersten Mal im Inneren des Schlosses. Nachdem ich mit dem damaligen Bürgermeister Uli Howest telefoniert hatte und es am 1.12.2017 ein erstes Treffen mit Christoph Struck gab, der mir sagte, dass er früher Waldhorn im Pionierblasorchester der POS Gadebusch gespielt hatte – der Funke sprang gleich im ersten Treffen beiderseitig über, da ich selbst auch Blechbläser bin!

Auf der Schlossanlage war ich bereits ein paar Jahre zuvor, weil mir meine Eltern von dem Ort berichteten und ich neugierig war, zu sehen, wo 1991 die allererste Probenphase des Landesjugendorchesters des damals noch ganz jungen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden hat. Schließlich war ich doch nach meiner Master-Arbeit über eine bisher fehlende Landesmusikakademie in Mecklenburg-Vorpommern auf der Suche nach einem dafür passenden Ort.

Was haben Sie damals gedacht?

Bei meinem ersten Besuch auf der Anlage vor 5-6 Jahren dachte ich, was für eine Schande, dass dieses landeshistorisch bedeutsame und prächtige Schloss im Privatbesitz versauert und in Vergessenheit gerät. Und was für eine Chance für einen Neubeginn!

Als die Stadt dann im Herbst 2017 das Schloss in einer Zwangsversteigerung kaufte, verfolgte ich dies in den Medien und zögerte nicht lange, den Bürgermeister anzurufen. Ich sagte ihm, dass ich sehr gerne mit der damals von mir frisch gegründeten kultursegel gGmbH an der Seite der Stadt den Ort zu einem kulturellen Zentrum für Menschen aus nah und fern entwickeln möchte, basierend auf den Erkenntnissen meiner wissenschaftlichen Arbeit über den Bedarf an einer Landesmusikakademie und dem bereits existierenden und dafür notwendigen Netzwerk auf Landes- und Bundesebene.

Als ich Ende Dezember 2017 gemeinsam mit einem befreundeten Kaufmann und Christoph Struck das Schloss erstmals von innen besichtigte, war klar, dass es eine Herkulesaufgabe sein wird, die Sanierung und den späteren Betrieb auf die Beine zu stellen. Wir kamen zu dem Entschluss: Es gibt nichts Gutes, außer Du tust es! So entwarfen Christoph Struck und ich einen Plan und stimmten die nächsten Schritte ab.

 Wen mussten Sie für diesen Plan überzeugen?

Ich traf mich gleich Anfang Januar 2018 mit dem Landesmusikrat und verkündete freudestrahlend, dass wir in Gadebusch die große Chance haben, die gemeinsame Idee zu einer Landesmusikakademie in die künftige Nutzung des Schlossareals Gadebusch zu integrieren. Im Februar 2018 gab es dann eine erste Versammlung im Schloss Gadebusch, zu der die Stadt relevante Akteur/innen aus Politik, Verwaltung, Denkmalschutz und Kultur eingeladen hatte. Bei dieser sprach sich Prof. Dagmar Gatz, Präsidentin des Landesmusikrats Mecklenburg-Vorpommern, dafür aus, diesen Ort mit einer Kultur- und Musikakademie inkl. der Zielstellungen einer Landesmusikakademie nutzbar zu machen und ein entsprechendes Konzept auszuarbeiten.

Im Rahmen einer Stadtvertreterversammlung im März 2018 stellte ich diese Pläne persönlich vor und konnte mit den Ergebnissen meiner Master-Arbeit klar aufzeigen, welche großen Chancen mit dem Errichten einer Musikakademie für den Ort insgesamt verbunden sind. Es wurde einhellig beschlossen, dass von nun an die weitere Planung der Schlosszukunft zusammen mit dem Landesmusikrat und kultursegel unter Einbeziehung einer „Kultur- und Musikakademie / Landesmusikakademie“ vorangetrieben werden soll und das bisherige Nutzungskonzept dahingehend ergänzt wird. 

Wie waren die Reaktionen von Stadt und Schlossverein? 

Natürlich präsentierte ich auch der Mitgliederversammlung des Fördervereins Renaissanceschloss und Museum Gadebusch e.V. die Pläne und wir tauschten uns darüber aus, welche Chancen, aber auch welche Herausforderungen uns in Zukunft erwarten würden. Dieser Austausch war mir sehr wichtig, weil ein solcher Prozess nur gemeinschaftlich getragen werden kann.

Ich habe sowohl in der Stadt als auch bei dem Förderverein sehr große positive Resonanz für die Idee der Realisierung einer landesweit wirksamen Kultur- und Musikakademie erhalten, zumal sie an die reiche Gadebuscher Musik-Tradition sowie an die Nutzung als musikalische Bildungsstätte Anfang der 1990er-Jahre anknüpft.

In persönlichen Gesprächen, per Telefon und auch schriftlich, bestärken mich bis heute sehr viele Menschen darin „dranzubleiben“, wofür ich sehr dankbar bin. Wie bei jedem Projekt dieser Größenordnung gab und gibt es natürlich auch hier und da Zurückhaltung oder Bedenken. Für unsere demokratische Kultur, die wir mit diesem Prozess leben und befördern wollen, sind auch diese Stimmen wichtig. Wir nehmen sie ernst und die daraus entstehenden Impulse überführen wir in unser Handeln.

Es erfüllt mich mit Freude, dass wir in den letzten Jahren seit 2017 in einem von Vertrauen und Zuversicht getragenen Prozess eine immer stärker werdende Gemeinschaft geworden sind, die heute in Form der Gemeinschafts-Initiative ZUKUNFT SCHLOSS GADEBUSCH von der Stadt Gadebusch, dem Förderverein Renaissanceschloss und Museum Gadebusch e.V. und der kultursegel gGmbH getragen und inhaltlich eng vom Landesmusikrat Mecklenburg-Vorpommern begleitet wird. Seit 2020 arbeitet diese Initiative durch das Lebenshilfewerk Mölln-Hagenow erweitert, um eine inklusive Ausgestaltung zu verwirklichen.

Musiker sollen hier proben und spielen können. Mit welchen Gästen planen Sie noch?

Die gesamte Schlossanlage ist als öffentlicher und inklusiver Ort der Kultur, Bildung und Begegnung breit aufgestellt, schließlich soll es ein Ort für ALLE werden. 

Neben der Ausrichtung als Akademie der musisch-kulturellen Bildung für Mecklenburg-Vorpommern, wie sie kürzlich auch im „Aufbruchspapier“ des Zukunftsrats MV empfohlen wurde, sollen sich die Bürger/innen aus der Stadt, der Region und darüber hinaus hier treffen, Kultur erleben, sich austauschen und inspirieren lassen können. Die einzigartige Campus-Atmosphäre des Ortes soll gleichzeitig konzentriertes Leben, Lernen, Arbeiten und Erholen ermöglichen.

Daher planen wir auch, das „Kulturdenkmal nationaler Bedeutung“ mit einem attraktiven Angebot zu einem kulturtouristischen Kristallisationspunkt für nationale und internationale Gäste zu entwickeln, an dem z.B. auch Radfahrer/innen auf dem Fernradweg Hamburg-Rügen Station machen können. 

Gibt es eine Zielmarke für Übernachtungszahlen?

Allein auf Grundlage meiner wissenschaftlichen Erhebungen im Rahmen einer Online-Umfrage wissen wir, dass alleine die an der Umfrage teilgenommenen Musikensembles aus MV bereits knapp 15.000 Übernachtungen pro Jahr generieren würden. Die Frage ist hier also vielmehr, wie viel des tatsächlichen Bedarfs in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus können wir mit der Akademie, insbesondere für das Feld der Fort- und Weiterbildungen, Probenphasen und Vernetzungsaktivitäten, abdecken und welche weiteren Infrastrukturen und Inhalte benötigen wir in unserem Flächenland, um die ästhetisch-kulturelle Bildung in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt zukunftssicher aufzustellen.

Die Akademie soll – wie von vielen gewünscht – ein wichtiger Teil und eine sonnvolle Ergänzung der kulturellen Infrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern werden. Die Schaffung eines solchen Knotenpunktes, der in allen anderen deutschen Flächenländern mit großem gesellschaftlichen Nutzen existiert, sehe ich als einen gemeinsamen Auftrag, der seit Anfang der 1990er Jahre existiert und nun eine Umsetzung finden soll.

Für die Erreichung dieses Ziels stehen wir im engen Austausch mit dem Landesmusikrat MV, dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur MV, dem Institut für Qualitätsentwicklung MV, der Hochschule für Musik und Theater Rostock, der Fachstelle Kulturelle Bildung und mit weiteren Kulturverbänden und -akteur/innen. Hierbei sind wir u.a. auch im Dialog mit dem Mecklenburgischen Staatstheater und Festivals wie den Festspielen MV, die in diesem Sommer auf dem Schlossberg ein Konzert veranstalten werden.

Wo können Konzerte stattfinden?

Veranstaltungen können sowohl drinnen als auch draußen stattfinden. Der größte Raum ist der Saal im Aula-Gebäude für etwa 200 Besucher/innen, den wir bereits seit 2018 für vielfältige Veranstaltungsformate nutzen. Ebenfalls werden nach der Sanierung die freigestellte Remise und ein repräsentativer Renaissance-Saal im Schloss als attraktive Veranstaltungsräume zur Verfügung stehen. Und natürlich bietet sich der herrliche Schlosshof für Open Air-Veranstaltungen wie Konzerte, Feste und Märkte an. 

Ganz besonders freuen wir uns – natürlich vorbehaltlich der Corona-Entwicklungen – auf den „MUSIKTAG MV – Gadebusch klingt!“ am 27. Juni dieses Jahres, wenn der Landesmusikrat MV unter der Schirmherrschaft der Ministerpräsidentin mit drei Landesjugendensembles seinen 30. Geburtstag feiern und die Stadt Gadebusch zum Klingen bringen wird.

Zurück zu den Zahlen. Was kostet eigentlich so eine Schlosssanierung?

Als wir 2018 mit Expert/innen aus den Bereichen Architektur, Bauforschung, Denkmalpflege, Statik, Akustik usw. bis zur Bauantragsstellung geplant haben, wurde für die Gesamtsanierung zur Nutzung des Gebäudeensembles als Ort der Kultur, Bildung und Begegnung ein Gesamtvolumen von 23 Mio. Euro ermittelt. 

Bei der geplanten Sanierung denken wir natürlich in sinnvollen Bauabschnitten, um möglichst parallel und aufeinander aufbauend auch (Zwischen-) Nutzungen ermöglichen zu können. Hierbei sind wir auf unterschiedliche öffentliche Förderprogramme angewiesen, die für dieses national und landesweit relevante Großprojekt sinnvoll miteinander harmonisiert werden müssen, um das Erreichte nicht zu gefährden. Es liegt also noch viel Arbeit vor uns, die wir weiterhin gemeinsam angehen.

Wer fördert das Projekt?

Der größte Förderer war bisher die Stadt Gadebusch selbst. Sie hat seit 2017 ca. 2 Mio Euro in den Kauf, in diverse Notreparaturen, in Unterhaltungsmaßnahmen sowie in die bisherigen Planungen und Ausführungen investiert. Eine Summe, die für eine Kleinstadt mit 5.500 Einwohner/innen alles andere als selbstverständlich ist und wofür ich der Stadt großen Respekt zolle. 

Alleine wird die Kommune diese große Gemeinschaftsaufgabe aber nicht stemmen können. Deshalb sind wir froh, für die bauliche Sanierung bisher auch Mittel der Bundeskulturstaatsministerin, des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege MV, der LEADER-Region Schaalsee, des Landkreises Nordwestmecklenburg, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz bekommen zu haben. 

Kürzlich wurde uns zudem durch das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ des Bundesinnenministeriums eine Sanierungsförderung in Höhe von 3,3 Mio Euro zugesagt – ein Paukenschlag und eine große Anerkennung für unser gemeinsames Vorhaben.

Auf der konzeptionell-inhaltlichen Ebene werden wir aktuell durch den Europäischen Sozialfonds, durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt, wofür wir sehr dankbar sind. Diese Förderungen ermöglichen uns u.a. die prozessual-partizipativ angelegte Schlossentwicklung als Bottom-Up-Prinzip, eine von bürgerschaftlichem Engagement getragene Markenbildung für das Schloss Gadebusch sowie die Umsetzung erster inhaltlicher Akzente, wie z.B. das erste Gadebuscher Musikcamp für Kinder aus Gadebusch und der Region in diesem Sommer.

Ein ganz zentraler Förderer ist natürlich der Förderverein Renaissanceschloss und Museum Gadebusch e.V., der die Schlossentwicklung ideell, durch die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen sowie mit Spendenmitteln maßgeblich befördert. 

Ein ganz wesentlicher Ermöglicher ist zudem auch mein Team von kultursegel, das sich mit kompetenter, professioneller Arbeit, inspirierenden Ideen und hohem persönlichen Engagement sehr für das Gelingen dieses Vorhabens einsetzt.

Wie ist der Stand heute? Liegen Sie im Zeitplan?

Die kürzlich zugesagten Bundesmittel für die Sanierung sind ein deutliches kulturpolitisches Signal und geben uns starken Rückenwind. Durch den partizipativ angelegten Prozess wird uns die Schlossentwicklung organisch und durch bürgerschaftliches Engagement getragen in den nächsten Jahren weiter gelingen – da bin ich mir sicher! Es scheint realistisch, pro Jahr fünf Mio Euro verbauen zu können, sodass wir theoretisch innerhalb von 5 Jahren die gesamte Anlage sanieren könnten. Jedoch gehen wir davon aus, dass wir vom Zeitpunkt heute aus noch einige Jahre mehr für die baulichen Sanierungsarbeiten brauchen werden. 

Viel entscheidender für den langfristigen Erfolg ist aus meiner Sicht aber der Prozess dahinter, also der Weg zum Ziel. Damit meine ich, die Bürger/innen aus nah und fern kontinuierlich miteinzubeziehen, entsprechende Foren und Angebote zu schaffen und das Schlossprojekt weiter als bürgerschaftlich getragenes Gemeinschaftswerk zu verstehen, von dem wir alle selbst ein Teil sind.

Unser ehrgeiziges Ziel ist es, im Jahr 2025 das 800-jährige Stadtrecht von Gadebusch und den 500. Geburtstag des Renaissance-Fürsten Johann Albrecht I. zu Mecklenburg bereits in sichtbar sanierten Teilen des Schlossareals in Gadebusch feiern zu können. 

Und wenn alles fertig ist: Worauf freuen Sie sich besonders?

Ich sehe das Ziel schon lange vor meinem geistigen Auge. Einige Visionen haben wir in einem Zukunftsbild aufgezeigt, das im Entwicklungs- und Konzeptionspapier abrufbar ist.

Der Schlossberg ist dann das ganze Jahr mit pulsierendem Leben, Markttreiben, Musik und immer wieder neuen Ideen erfüllt. Es wird also nie alles fertig sein, und das ist auch das Schöne daran. Ein Teil dieser Visionen verwirklichen wir bereits, zurzeit nur leider gebremst durch die Corona-Pandemie. Wir nutzen die Zeit und bereiten uns auf die nächsten Schritte vor, denn es gibt genug vorzudenken und zu tun!