17.11.2025

Schätze der Ostmoderne: In Neubrandenburg wird geforscht

Das 1980-85 in Plattenbauweise (WBS 70) errichtete Hochhausensemble in der Neustrelitzer Straße ist nahezu authentisch erhalten. An den Stirnseiten sind Meißener Kacheln weithin sichtbar.
Sabine Kahle, Kirsten Cummerow, Patricia Werner, Ministerin Bettina Martin, Oberbürgermeister Nico Klose, Dr. Ramona Dornbusch und Friederike Thomas (v.l.)
Die Konsolgruppe. Die nach klassischem Ideal von Bernd Göbel geformten Bronzefiguren befinden sich über dem Haupteingang des ehemaligen Internatskomplexes des Berufsausbildungszentrums.
Märchensäule von 1982, aufgestellt 1984. Sie ist ein Gemeinschaftswerk von Mitgliedern des „Plastik- und Keramikzirkels des HKB Neubrandenburg“ unter Anleitung von Uwe Maroske.
In diesem Wandbild von Erhard Großmann scheinen rosige Zeiten dargestellt. Ganz im Sinne einer sozialistischen Zukunft. Bei genauem Hinsehen zeigen sich aber auch skeptische Gesichtszüge.
Beispielseiten aus einer Broschüre. Zu sehen ist Baukunst aus Neubrandenburg.
Der Stadtführer kann im Shop der Landeszentrale für politische Bildung kostenfrei bestellt werden. www.lpb-mv.de

Wie entwickelte sich Neubrandenburg in der DDR-Zeit? Welche Kunstwerke, Fassaden, Innenraumgestaltungen erzählen heute noch davon? Diesen Fragen gehen die Kunsthistorikerinnen Sabine Kahle und Friederike Thomas nach. Die Menschen der Stadt können das Projekt aktiv unterstützen.

„Neubrandenburg ist wie kaum eine andere Stadt im Norden von der Architektur der DDR-Zeit geprägt. Sie zeigt die ganze Spannbreite städtebaulicher Entwicklungen jener Epoche – vom Wohnkomplex bis zur Kunst am Bau“, sagte Kulturministerin Bettina Martin am Montag in Neubrandenburg. „Diese Zeugnisse sind Teil unserer gemeinsamen Geschichte. Sie sichtbar zu machen und zu bewahren, ist ein wichtiger Beitrag zur Denkmalpflege und Erinnerungskultur unseres Landes.“

Sabine Kahle und Friederike Thomas sind im Auftrag des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD) auf Spurensuche. Es handelt sich um ein Projekt gemeinsam mit der Stadt Neubrandenburg, der Kunstsammlung Neubrandenburg und wird in Kooperation mit der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und die Stiftung Sparkasse Neubrandenburg-Demmin durchgeführt.

Projekt trägt zum Selbstverständnis der Stadt bei

Gemeinsam mit Kulturministerin Bettina Martin, Oberbürgermeister Nico Klose und LAKD-Direktorin Dr. Ramona Dornbusch informierten die Wissenschaftlerinnen bei einem Ortstermin in Neubrandenburg über den aktuellen Stand des Projekts „Ostmoderne in Neubrandenburg - Erfassung von Zeugnissen der Architektur, des Städtebaus und der Kunst im öffentlichen Raum von 1945 bis 1990“. Sie riefen auch die Bevölkerung dazu auf, sich an der Spurensuche zu beteiligen und eigene Hinweise auf noch unentdeckte Kunstwerke beizusteuern.

Als Kooperationspartner und Förderer des Projektes nahmen außerdem die Geschäftsführerin der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, Patricia Werner, und die Vorstandsvorsitzende der Sparkassenstiftung Neubrandenburg-Demmin, Kirsten Cummerow, an der Präsentation teil. 

Nico Klose, Oberbürgermeister der Vier-Tore-Stadt, betonte, wie sehr das Projekt auch zum Selbstverständnis der Stadt beiträgt: „Viele Gebäude, Kunstwerke und Platzgestaltungen prägen bis heute das Gesicht unserer Stadt. Sie erzählen von einer Zeit des Aufbruchs, des Experimentierens und auch von gesellschaftlichen Idealen. Wer Neubrandenburg verstehen will, muss auch diese Schicht unserer Stadtgeschichte kennen. Darauf können wir stolz sein.“ 

Wissenschaftliche Spurensuche im Stadtbild

Das Projekt folgt auf die Neubrandenburger Tagung „Drinnen & Draußen“, mit der bereits 2022 Kunst im öffentlichen Raum aus der DDR-Zeit dokumentiert wurde. Nun stehen Kunst, Architektur und Städtebau speziell in Neubrandenburg zwischen 1945 und 1990 im Mittelpunkt.

Seit März 2025 werden Gebäude, Kunstwerke und Gestaltungen im gesamten Stadtgebiet erfasst. Neben Begehungen vor Ort fließen auch Recherchen aus dem Stadt-, Kreis- und Bundesarchiv ein. „Die Ergebnisse werden in standardisierten Erfassungsbögen des LAKD dokumentiert, wissenschaftlich ausgewertet und auf bislang unbekannte Denkmalwerte geprüft“, so die Direktorin des Landesamtes für Denkmalschutz, Dr. Ramona Dornbusch. Nach Abschluss der Erfassung im Juni 2026 sind Informations- und Vermittlungsmaterialien geplant, um das Wissen auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Aufruf an die Neubrandenburgerinnen und Neubrandenburger

Bettina Martin und Nico Klose rufen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, das Projekt aktiv zu unterstützen. Wer künstlerische Gestaltungen oder architektonische Details aus DDR-Zeiten kennt, die bisher kaum bekannt sind, weil sie sich beispielsweise im Inneren von Gebäuden befinden oder an wenig besuchten Orten versteckt liegen, kann wertvolle Hinweise liefern. „Gerade solche verborgenen Beispiele erzählen viel über das Alltagsleben und die Gestaltungskultur jener Zeit“, so Ministerin Martin. „Wir möchten dieses Wissen gemeinsam mit den Menschen vor Ort bewahren.“ Oberbürgermeister Klose ergänzt: „Unsere Stadt ist voller Geschichten – auch in Stein, Beton und Farbe. Jede Entdeckung hilft, das Bewusstsein um dieses Kapitel unserer Stadtgeschichte lebendig zu halten.“


So kann man mitmachen

Einsendungen über: j.kirchner@lakd-mv.de

Bitte senden Sie Fotos als Bilddatei (z. B. .jpg) bis max. 20 MB pro E-Mail

Bitte geben Sie die Adresse des Fundstücks an und ob es öffentlich zugänglich ist oder im Privateigentum (in letzterem Fall, wenn vorhanden, mit Kontaktdaten). Einsendeschluss ist der 31. Januar 2026.


Extra

Wandrelief als Beispiel vorgestellt

Mehrere Jahrzehnte war es ein Blickfang an der Marktseite des Hotels „Vier Tore“. Das von dem Metallbildhauer Gerd Werner (1944-2006) gestaltete, fast erdgeschosshohe Relief an der ehemaligen „Grillbar“ ist heute nur noch als Teilstück erhalten, nachdem 2016 das Hotel abgerissen wurde. Im – nicht öffentlich zugänglichen – Treppenhaus des Mariencarées fand es einen neuen Standort.

Das Kunstwerk entstand 1973 als ungegenständliches Relief aus dem Werkstoff Duraluminium, der sich durch eine besonders gute Formbarkeit auszeichnet. Zylinderartige, halbrund geformte Teilstücke unterschiedlicher Breite und Höhe verleihen der Oberfläche ein dynamisch bewegtes Relief. Zwar ist das Wandbild aus seinem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und heute nur noch als Segment erhalten, aber es ist ein wichtiges Beispiel abstrakter Metallkunst aus den 1970er Jahren. Zudem erinnert es an die Geschichte des Hotels „Vier Tore“. Das Wandbild ist nun ein Prüffall für die Denkmalliste des Landes.


Hintergrund

Mit dem Projekt „Ostmoderne in Neubrandenburg“ wird die systematische Erfassung und Vermittlung von Zeugnissen der Architektur, des Städtebaus und Kunst im öffentlichen Raum der DDR-Zeit fortgesetzt. Die Federführung des Projekts liegt beim Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern. Es wird in gemeinsamer Kooperation mit der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, der Sparkasse Neubrandenburg-Demmin sowie der Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg durchgeführt.

Weitere Informationen unter: regierung-mv.de/ostmoderne