Was verbinden Sie mit Liebe? Glück und Leichtigkeit? Versuchung und Sehnsucht? Fürsorge und Zusammenhalt? Abschied und Trauer? Dann schauen Sie doch mal in die neue Sonderausstellung zu Barlach. Wie vielfältig – und bisher kaum beachtet – sich diese Facetten in seinen Werken wiederfinden.
07.03.2023

Barlachs „Facetten der Liebe“

Eine liebende Mutter. Ein streitendes Paar. Trauernde Angehörige. Eine geschäftstüchtige Kupplerin. In die Ernst-Barlach-Museen in Güstrow ist Liebe eingezogen. Liebe in allen Facetten. Wir haben die neue Sonderausstellung besucht. Ein Rundgang in elf Bildern. 

Ernst Barlach eine Ausstellung über Liebe zu widmen, war die Idee von Franziska Hell. Auch deshalb, weil viele den Künstler gemeinhin eher mit anderen Themen verbinden. Mit religiösen Motiven, beispielsweise. Oder Ehrenmalen. Dabei fänden sich in seiner Kunst immer wieder Darstellungen über zwischenmenschliche Beziehungen. Ihnen gibt die Kunsthistorikerin nun in der Sonderausstellung Raum. Dazu hat sie auch bislang nicht gezeigte Exponate aus dem Depot geholt. Und wie stand es bei Barlach selbst um die Liebe? „Privat war er oft unglücklich verliebt.“
Diese Reliefplatte sei der Anstoß für die Ausstellung gewesen, sagt Kuratorin Hell. Darauf zu sehen: träumende und lesende Paare. Den Auftrag dafür hat Barlach von Charlotte und Paul von Mendelssohn-Bartholdy erhalten. Sie wollten damit ihren Kamin verkleiden. Das Original war mehr als drei Meter hoch und breit. Als es aufgestellt war, gefiel das wuchtige Kunstwerk der Hausherrin nicht mehr. Sie ließ die Platten entfernen. Später wurden sie in verschiedenen Ausstellungen gezeigt. Im Zweiten Weltkrieg verbrannten sie. Nur das ausgestellte Werkmodell ist erhalten geblieben.
Für die Sonderausstellung am Heidberg 15 hat Kuratorin Franziska Hell Plastiken, Grafiken und Gedichte aus dem Depot und anderen Sammlungen zusammengetragen. Wer eine ihrer Führungen besucht, erfährt zu vielen Exponaten Anekdoten und Hintergründe.
Ernst Barlach (1870-1938) hat sich nicht nur plastisch oder grafisch mit Liebe beschäftigt. Er hat ihr auch mit Worten Ausdruck verliehen. Das Gedicht in der Mitte, „Die Atelierloreley“, entstand 1892. Für Josephine Löser, in die er als Student verliebt war.
Bei Margarethe Böhmer fand Ernst Barlach 1927 sein spätes Liebesglück. Ihre Beziehung hielt bis zu seinem Tod 1938. Wer möchte, kann in der Ausstellung in einigen ihrer Briefe – einem Zeugnis inniger Zuneigung und Verbundenheit – stöbern.
Ein Blick ins Grafikkabinett der Ausstellung. Rund 40 Abbildungen haben hier ihren Rahmen gefunden. Schauen Sie bei einem Besuch doch mal, ob Sie in einer von ihnen Barlach erkennen. Die Szenerie: Ein junges, einander zugewandtes Paar. Dahinter ein alter Mann. Er schaut auf den Jüngling. Ein Spiegelbild vergangener Zeiten? Sein Spiegelbild vergangener Zeiten?
Ernst Barlach sei ein guter Beobachter gewesen, sagt Franziska Hell und führt die Besucher/innen zu dieser Kohlezeichnung. „Die Siegerin“ heißt sie. Die Kuratorin lenkt den Blick auf den Mann, dem bedröppelt die Haare zu Berge stehen. Die Frau, die ihm nach dem Streit den Rücken kehrt. Die angedeutete Armor-Statue. Ein Sinnbild für die Schönheit und Vergänglichkeit einer Beziehung?
Ein zentrales Thema in Barlachs Werken: Mutter-Kind-Beziehungen. Barlach selbst war alleinerziehender Vater. Sohn Nikolaus kam 1906 zur Welt. Zwei Jahre stritt er mit der Mutter des Kindes, Rosa Schwab, ums Sorgerecht.
Mit der „Kupplerin“ widmete sich Barlach dem Thema käuflicher Liebe. Auch nach dem Ersten Weltkrieg seien Frauen in die Hände sogenannter Kupplerinnen gefallen, sagt Franziska Hell. Auf diese Schicksale mache Barlach hier aufmerksam.
Eine Mutter, die ihren toten Sohn, einen Soldaten, auf den Knien hält. Das Trauertuch und ihre Hände schützend über ihn legt. Gemeinsam mit ihm ein Kreuz bildet. Mit der „Pietà“ beteiligte sich Barlach 1932 in Stralsund an einem Wettbewerb, in dem ein Mahnmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs gesucht wurde. Sein Entwurf wurde abgelehnt, 1988 aber von einem anderen Bildhauer in einem größeren Maßstab umgesetzt. Es steht im Kreuzgang des Johannisklosters.